Wie werden Essstörungen behandelt?

Foto von zwei Kindern in einer Beratungssituation

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Essstörung zu behandeln. Fachleute empfehlen vor allem eine Psychotherapie. Sie kann mit anderen Maßnahmen, etwa Medikamenten, kombiniert werden. Manchmal ist für die Behandlung ein Aufenthalt in einer Klinik sinnvoll.

Essstörungen wie Magersucht, Bulimie oder die Binge-Eating-Störung sind psychische Erkrankungen. Sie können chronisch verlaufen und schwerwiegende körperliche und psychische Folgen haben. Eine frühzeitige Behandlung ist wichtig, um dies zu verhindern.

Welche Behandlungen infrage kommen und ob sie oder in einer Klinik stattfinden, hängt vor allem von den Antworten auf folgende Fragen ab:

  • Welche Essstörung liegt vor – eine Magersucht, eine Bulimie oder eine Binge-Eating-Störung?
  • Wie alt ist die oder der Erkrankte? Bei Kindern werden zum Beispiel die Eltern oft eng in die eingebunden.
  • Wie schwer ist die Erkrankung ausgeprägt? Ist es zum Beispiel zu starkem Untergewicht gekommen? Treten mehrmals täglich Essanfälle auf? Wie ist die seelische Verfassung, gibt es Selbsttötungsgedanken oder -absichten? Das sind einige der Gründe für einen Klinikaufenthalt.

Die Behandlung wird individuell abgestimmt. Es können auch unterschiedliche Ansätze kombiniert werden. Den Kern der Behandlung bildet in der Regel eine Psychotherapie.

Die ersten Schritte: An wen kann ich mich wenden?

Die erste Anlaufstelle kann zum Beispiel die haus- oder kinderärztliche Praxis sein. Die Ärztin oder der Arzt kann dann zu einer Psychotherapeutin, einem Psychotherapeuten oder in eine entsprechende Klinik überweisen.

Man kann aber auch direkt, also ohne Überweisung, bei psychotherapeutischen Praxen ein erstes Beratungsgespräch im Rahmen der psychotherapeutischen Sprechstunde vereinbaren. Die Praxen müssen für solche Erstgespräche bestimmte Zeiten anbieten, auch wenn sie die Behandlung aufgrund ihrer Auslastung nicht selbst übernehmen können. Sie können aber weitervermitteln.

Adressen von psychotherapeutischen Praxen in der Nähe erhält man über die eigene Krankenversicherung oder im Internet, etwa über die Arzt- und Psychotherapeuten-Suche der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Über den Patientenservice 116 117 der KBV kann man außerdem direkt einen Termin für ein psychotherapeutisches Erstgespräch buchen.

Es gibt außerdem psychosoziale Beratungsstellen und den sozialpsychiatrischen Dienst, die bei psychischen Problemen und Krisen beraten und beim Finden einer geeigneten Behandlung unterstützen. Ob Beratungsstellen oder Praxen: Gesprächsinhalte sind vertraulich. Das erleichtert es, sich Hilfe zu suchen, wenn man sicher sein möchte, dass andere – etwa die Eltern – von den Essproblemen (noch) nichts erfahren.

Gut zu wissen:

Der Text „Psychische Probleme: Wo gibt es Hilfe?“ informiert ausführlich über die verschiedenen Anlaufstellen. Im Text „Was ist eine Psychotherapie und wie läuft sie ab?“ gibt es Informationen zur Antragstellung und zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

Psychotherapie – welche Formen gibt es?

Es gibt viele verschiedene Psychotherapie-Verfahren, die mit unterschiedlichen Konzepten arbeiten. In der Regel dauert die Behandlung insgesamt Monate bis Jahre.

Welche Psychotherapie-Formen eine Therapeutin oder ein Therapeut anbietet, kann man auf deren Webseite oder in einem ersten Telefonat erfahren. Neben dem genauen Verfahren ist für viele Menschen aber auch wichtig, dass sie sich gut aufgehoben und verstanden fühlen. Ist das nicht der Fall, kann man die Therapeutin oder den Therapeuten wechseln. Manche wählen die Praxis auch danach aus, ob die bald losgehen kann und die Praxis gut zu erreichen ist.

Folgende Verfahren kommen bei Essstörungen infrage:

Kognitive Verhaltenstherapie

Diese Psychotherapie-Form kommt bei allen Essstörungen infrage. Es geht dabei darum, sich eigener Denk- und Verhaltensmuster bewusst zu werden, die zu der Essstörung beitragen – etwa ständiges gedankliches Kreisen um die Unzufriedenheit mit der eigenen Figur. Ziel ist es, Techniken zu erlernen, mit denen man solche Muster durchbrechen und ungesundes Verhalten aktiv ändern kann. Auf diese Techniken lässt sich auch bei Rückfällen zurückgreifen.

Tiefenpsychologische Ansätze

Solche Verfahren können als Alternative zu einer kognitiven angeboten werden. Hierbei stehen oftmals unbewusste innere und zwischenmenschliche Konflikte im Mittelpunkt, die zu einem verringerten Selbstwertgefühl geführt und die Essstörung begünstigt haben. Mithilfe der Therapeutin oder des Therapeuten können diese dann aufgearbeitet werden.

Einbezug der Familie

Bei Kindern und Jugendlichen, die an Magersucht oder Bulimie erkrankt sind, wird empfohlen, die Eltern aktiv in die Behandlung einzubeziehen. Sie können dabei lernen, gemeinsam mit ihrem Kind der Essstörung entgegenzuwirken – unter anderem, indem sie angemessen mit ihrem Kind über die Essstörung sprechen oder gemeinsam Mahlzeiten gestalten und zum Beispiel Essenszeiten festlegen. Im Verlauf soll das Kind oder der Jugendliche dann wieder selbst die Verantwortung für das Essen übernehmen und sich stabil zu einem gesunden Erwachsenen weiterentwickeln.

Systemische Therapie

Auch bei dieser Therapieform wird das soziale Miteinander in den Mittelpunkt gestellt, also das System, in das die oder der Erkrankte eingebunden ist. Die Essstörung wird als Folge möglicher Konflikte oder Ereignisse in diesem System betrachtet. Sie soll sich durch das Erkennen und Lösen dieser Probleme bessern.

Für welche Psychotherapie entscheide ich mich?

Zusammengefasst lässt sich aus Studien ableiten, dass eine Psychotherapie durch erfahrene Fachleute generell bei Essstörungen geeignet ist und besser hilft als andere Behandlungsformen oder der Verzicht auf eine . Bei Patientinnen und Patienten mit Bulimie oder der Binge-Eating-Störung zeigt die insgesamt die besten Ergebnisse. Bei Magersucht sind die und tiefenpsychologische Ansätze ähnlich wirksam. Bei Kindern und Jugendlichen mit Anorexie oder Bulimie wird empfohlen, dass die Familie miteinbezogen wird.

Welche zusätzlichen Behandlungen kommen infrage?

Besonders bei längeren Klinikaufenthalten gibt es zusätzlich zu einer Psychotherapie oft weitere Angebote und Behandlungen, die unter anderem das Wohlbefinden steigern und das Selbstwertgefühl stärken sollen. Solche Maßnahmen können aber auch eine ambulante Psychotherapie ergänzen. So können eine Ernährungsberatung oder sportliche Aktivitäten sinnvoll sein – zum Beispiel, um bei einer Binge-Eating-Störung Übergewicht abzubauen. Zur mentalen Stärkung kommen oft kreative Angebote wie Kunst-, Bewegungs- oder Musiktherapie zum Einsatz.

Hat der oder die Betroffene weitere Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen, werden auch diese behandelt. Dabei können weitere Behandlungsbausteine hinzukommen, zum Beispiel spezielle Medikamente.

Was ist strukturierte Selbsthilfe?

Die sogenannte strukturierte Selbsthilfe vermittelt erwachsenen Betroffenen Wissen über die eigene Erkrankung und enthält Übungen, die meist an die angelehnt sind. Der Unterschied zu einer Psychotherapie: Die Betroffenen erhalten die nötigen Materialien einschließlich einer Anleitung – oft in digitaler Form – und beschäftigen sich damit zu Hause selbst. Für die Bulimie und die Binge-Eating-Störung gibt es sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Das sind Apps oder Online-Angebote, die per Rezept verordnet werden und deren Kosten die Krankenkasse übernimmt. Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit hat Informationen und Links dazu zusammengestellt, wie man sich im Angebot verschiedener Programme und Apps zurechtfinden kann.

Strukturierte Selbsthilfe wird meist empfohlen, um die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken.

Wird eine Essstörung auch mit Medikamenten behandelt?

Medikamente werden bei Essstörungen ausschließlich ergänzend zu einer Psychotherapie empfohlen. Sie werden in der Regel nur bei Bulimie und der Binge-Eating-Störung verschrieben. Einige , ADHS-Mittel oder Epilepsie-Medikamente kommen dann infrage. Fachleute gehen davon aus, dass mit diesen Medikamenten Essanfälle seltener auftreten. Die meisten sind aber nicht für die Behandlung von Essstörungen zugelassen, sodass sie nur im sogenannten Off-Label-Use verordnet werden können. Lediglich bei Bulimie ist ein Antidepressivum zur Behandlung Erwachsener zugelassen.

Wo findet die Behandlung statt?

Essstörungen lassen sich , in einer Klinik oder teilstationär in einer behandeln.

Es kann dauern, bis man einen Therapieplatz bekommt. Solange man wartet, kann man sich zunächst auch zu Hause mithilfe der Materialien der strukturierten Selbsthilfe mit der Erkrankung auseinandersetzen sowie verhaltenstherapeutische Übungen erlernen und anwenden.

Ambulante Therapie

Essstörungen werden am häufigsten behandelt – etwa in regelmäßigen Therapiestunden in einer psychotherapeutischen Praxis. Das können Einzelgespräche mit der Therapeutin oder dem Therapeuten sein, aber auch Termine, bei denen die Eltern oder Geschwister dabei sind. Wie in Kliniken sind auch Gruppensitzungen möglich, an denen mehrere Menschen mit einer Essstörung teilnehmen.

Behandlung in der Klinik

Besonders wenn eine Essstörung schwer ist und sich nicht behandeln lässt, kann ein Klinikaufenthalt sinnvoll sein. In der Regel sind das Fachkliniken für psychische Erkrankungen, die ein spezielles Behandlungsangebot für Menschen mit Essstörungen haben. Für jüngere Betroffene sind kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen sinnvoll. Kliniken bieten oft verschiedene Behandlungsmöglichkeiten parallel an und kombinieren sie zum Beispiel mit Sport oder kreativen Angeboten.

In der Regel geht man freiwillig in eine stationäre Behandlung. Manche Menschen mit einer Essstörung sind aber durch starkes Untergewicht sehr geschwächt und würden sich durch ihr Ess- und Bewegungsverhalten weiter gefährden. Dann kann eine Ärztin oder ein Arzt sie auch gegen ihren Willen in die Klinik einweisen. Auch bei Suizidabsichten kann eine sogenannte Zwangseinweisung nötig sein.

In einer Klinik sind auch spezielle Maßnahmen wie eine Zwangsernährung per Magensonde möglich. Diese dürfen aber nur ergriffen werden, wenn das Leben des oder der Betroffenen gefährdet ist. Ob eine Zwangseinweisung oder andere Maßnahmen gegen den Willen des oder der Erkrankten nötig sind, beurteilen Ärztinnen und Ärzte. Außerdem muss immer eine Richterin oder ein Richter nach Prüfung des ärztlichen Gutachtens zustimmen.

Behandlung in der Tagesklinik

Eine sogenannte teilstationäre Behandlung nutzt die Möglichkeiten einer Klinik – aber nur für einige Stunden am Tag. Man übernachtet nicht in der Klinik und bleibt in der Regel am Wochenende zu Hause.

Wie geht es danach weiter?

Nach der Behandlung einer Essstörung ist es wichtig, weiter aufmerksam zu bleiben. Denn manchmal schleichen sich alte Denk- oder Verhaltensmuster wieder ein, sodass es erneut zu Problemen mit dem Essen kommen kann. Besonders nach längeren Klinikaufenthalten ist oft auch die Rückkehr in den Alltag nicht so einfach. Viele Behandelnde aus der Klinik oder einer ambulanten Praxis bieten den Betroffenen deshalb an, auch nach Abschluss der Behandlung noch einige Zeit in Kontakt zu bleiben. Außerdem sind Beratungsstellen oder der Austausch in Selbsthilfegruppen weiterhin eine wichtige Hilfe. Bei der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (NAKOS) kann online bundesweit nach einer passenden Selbsthilfeadresse gesucht werden.

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Erstellt am 23. Juli 2025

Nächste geplante Aktualisierung: 2028

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Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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