Welche Ursachen haben Essstörungen?

Foto einer weinenden jungen Frau auf der Couch, die auf ihr Smartphone schaut

Wieso habe ich Probleme mit dem Essen? Warum hat mein Kind eine Essstörung? Betroffene und Angehörige fragen sich oft, was die Ursache für die Essstörung ist. Das ist aber nicht leicht zu beantworten, weil in der Regel mehrere Faktoren zusammenkommen.

Essstörungen wie eine Magersucht, Bulimie oder die Binge-Eating-Störung sind schwere Erkrankungen, die behandelt werden müssen. Doch warum bekommen Menschen eine Essstörung? Besonders Eltern haben oft Schuldgefühle, wenn ihr Kind an einer Essstörung erkrankt ist, und fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht haben. Es kann beruhigen zu wissen: Es gibt nicht die eine Ursache. Meist spielen verschiedene Ursachen und Risikofaktoren eine Rolle. Einige davon machen lange unbemerkt anfälliger für eine Essstörung, andere sind eher akute Auslöser. Manche der Faktoren sorgen auch dafür, dass die Essstörung bestehen bleibt.

Welche Rolle spielen genetische Faktoren?

Fachleute gehen davon aus, dass die Anfälligkeit für eine Essstörung zu einem gewissen Maße genetisch bedingt ist. Ob Menschen mit einer solchen Veranlagung tatsächlich eine Essstörung entwickeln, hängt aber von weiteren Ursachen und Risikofaktoren ab.

Welche Rolle spielt der persönliche Umgang mit Problemen?

Ob eine Essstörung auftritt, wird wahrscheinlich auch davon beeinflusst, wie jemand mit Problemen umgeht – zum Beispiel Konflikten, Misserfolgen oder Enttäuschungen und damit verbundenen Gefühlen. Oftmals geprägt von ihrer Erziehung und ihrem Umfeld entwickeln Menschen dazu persönliche Eigenschaften und unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster. Manchmal können diese das Finden von Lösungen erschweren – zum Beispiel, wenn man Probleme lange wälzt, sich gedanklich im Kreis dreht oder immer alles „perfekt“ machen will. Solche Eigenschaften müssen aber nicht krank machen – es kommt immer auf das Zusammenspiel mit anderen Faktoren an.

Welche Rolle spielen Erfahrungen mit dem Essen?

Die meisten Menschen verbinden mit Essen mehr als die bloße Aufnahme von Nahrung. Bestimmte Speisen oder Essensrituale erzeugen zum Beispiel Wohlbefinden, emotionale Wärme, Geborgenheit oder Heimatgefühle. Oft wird Essen schon früh im Leben eng an besondere Bedeutungen gekoppelt. Das ist für viele Menschen etwas Schönes, könnte aber auch anfälliger für eine spätere Essstörung machen – wenn Essen zum Beispiel von den Eltern häufig als Belohnung oder Trost eingesetzt wurde oder als Ersatz für Wärme und Zuneigung herhalten musste.

Aber auch der Entzug von Essen kann prägen, etwa wenn man bereits als Kind erlebt hat, dass Eltern ihr eigenes Essverhalten oder das des Kindes streng kontrollieren.

Wer bei Mahlzeiten ständig die Kalorien zählt und das Essen zum Teil auch einschränkt, um nicht zuzunehmen, ist wahrscheinlich ebenfalls anfälliger für eine Essstörung.

Welche Rolle spielen Ideale von Schönheit und Erfolg?

Wenn sehr schlanke, athletische Körper für Schönheit und Erfolg stehen und zum Beispiel in den sozialen Medien als Ideal gelten, kann es belasten, nicht so auszusehen. Daraus kann sich eine große Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper entwickeln, die als wichtiger Risikofaktor für Essstörungen gilt. Auch verschiedene Sportarten geben – vor allem, wenn sie auf Leistungssport-Niveau betrieben werden – bestimmte Körperformen als Ideal vor, die durch Training, aber auch Essensregeln erreicht werden sollen. Typische Beispiele sind sehr leichte, zierliche und dabei trotzdem sehr trainierte Ballett-Tänzerinnen und Tänzer oder Sportlerinnen und Sportler, die in bestimmten Gewichtsklassen antreten oder gegen die Schwerkraft arbeiten – etwa im Turnen, beim Eiskunstlauf oder beim Ski- und Turmspringen.

Welche Rolle spielt das Gewicht in der Kindheit?

Wer als Kind bereits übergewichtig war, hat ein erhöhtes Risiko, im Laufe des Lebens an einer Essstörung wie Bulimie oder Binge-Eating-Störung zu erkranken. Übergewicht in der Kindheit ist aber schwer von den anderen möglichen Ursachen zu trennen, weil es selbst als Folge von Veranlagung oder Denk-, Verhaltens- und Erziehungsmustern entstanden sein kann.

Was kann eine Essstörung letztlich auslösen?

Häufig werden krisenhafte Ereignisse in der Kindheit oder Jugend als Risikofaktoren für eine spätere Essstörung genannt, etwa die Trennung der Eltern oder der Tod einer nahestehenden Person. Oft wirken solche Ereignisse aber vor allem als Auslöser. Das bedeutet: Die Grundlagen für eine Essstörung sind durch das Zusammenspiel verschiedener Ursachen und Risikofaktoren bereits geschaffen, aber erst mit der Krise treten die ersten Symptome der Erkrankung auf.

Auch Stress in der Schule oder am Arbeitsplatz, Leistungsdruck oder Mobbing-Erfahrungen können eine Essstörung auslösen. Die körperlichen und emotionalen Veränderungen in der Pubertät können ebenfalls Auslöser sein. Nicht zuletzt können belastende Probleme in der Partnerschaft oder im Beruf dazu führen, dass eine Essstörung ausbricht.

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Erstellt am 23. Juli 2025

Nächste geplante Aktualisierung: 2028

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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