Woran kann man eine Essstörung erkennen?

Foto eines Erwachsenen in der Psychotherapie

Eine Essstörung können nur Fachleute feststellen. Über Gespräche und Untersuchungen finden sie heraus, ob ein Problem mit dem Essen vorliegt und wenn ja, wie es behandelt werden kann. Es gibt aber einige Hinweise, die einem selbst bei einer ersten Einschätzung helfen können.

Eine Essstörung zu erkennen, ist oft nicht einfach. Es kann auch andere Gründe für ein verändertes Körpergewicht geben – und nicht jede Essstörung wirkt sich auf das Gewicht aus. Daher müssen auch andere körperliche Symptome und Verhaltensweisen, Erfahrungen und die Lebenssituation berücksichtigt und in Verbindung gebracht werden. Manchmal lassen sich Symptome und Verhalten auch nicht eindeutig nur einer Essstörung zuordnen – einige passen zum Beispiel sowohl zu einer Bulimie als auch zu einer Magersucht.

Die einer Essstörung zu stellen, gleicht manchmal also dem Zusammensetzen eines Puzzles. Dazu sind meist Gespräche und eine Untersuchung durch Fachleute nötig. Einige Puzzleteile können einem aber selbst bewusst werden – oder zum Beispiel Eltern an ihrem Kind auffallen. Zum Beispiel können Online-Fragebögen, etwa der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen, dabei helfen, solche Aspekte zu entdecken und einzuordnen. Sie liefern erste Hinweise auf eine mögliche Essstörung.

Im Folgenden werden typische Auffälligkeiten bei einer Essstörung beschrieben. Wenn man sich oder sein Kind in einzelnen Aspekten wiederfindet, muss nicht zwingend eine Essstörung vorliegen. Wenn man trotzdem unsicher ist und vor allem, wenn mehrere Kriterien für eine Essstörung erfüllt sind, ist jedoch Rat von Ärztinnen und Ärzten oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nötig. Nur sie können eine stellen.

Gut zu wissen:

Je nachdem, um welche Essstörung es sich handelt, können zusätzlich Symptome auftreten, die in den Texten zu Magersucht, Bulimie und Binge-Eating-Störung beschrieben werden.

Kreisen die Gedanken und Gefühle oft ums Aussehen und ums Essen?

Viele Betroffene sind unzufrieden mit ihrer Figur. Sie sorgen sich zum Beispiel, zu dick oder nicht sportlich genug zu sein. Oft passt diese Sorge nicht zum tatsächlichen Erscheinungsbild, das sehr schlank oder überdurchschnittlich trainiert sein kann.

Ein weiterer Hinweis kann sein, dass solche Sorgen und die Beschäftigung mit den Themen Essen, Kalorien, Figur und Gewicht sehr viel Zeit und Energie beanspruchen – und zum Beispiel jede Mahlzeit, jeder Einkauf oder der gesamte Tagesablauf davon geprägt sind.

Was fällt beim Essen auf?

Die Gedanken ums Essen schlagen sich in auffälligem Essverhalten nieder. Bestimmte Nahrungsmittel werden zum Beispiel nicht mehr gegessen, weil sie viele Kalorien haben – etwa Süßigkeiten oder fetthaltige Gerichte. Das kann sich allmählich auf andere Lebensmittel ausdehnen, sodass Betroffene auf immer mehr Speisen verzichten und sich nicht mehr ausgewogen ernähren. Stattdessen wird etwa bei einer Magersucht über längere Zeiten fast gar nichts mehr gegessen. Durch den Kalorienentzug die „Macht“ über den eigenen Körper zu haben, empfinden viele Betroffene als etwas Gutes.

Nicht immer geht eine Essstörung aber mit Verzicht und Fasten einher. Typisch sind auch Essanfälle, bei denen man in relativ kurzer Zeit große Mengen zu sich nimmt – oft gerade solche Lebensmittel und Speisen, die sonst vermieden werden. Dabei empfinden Betroffene das Essen als Kontrollverlust. Beim oder nach dem Essanfall schämen sie sich oft, haben Schuldgefühle oder ekeln sich beim Gedanken daran, was sie alles gerade gegessen haben.

Sowohl das Fasten als auch Essanfälle werden oft verheimlicht. Manche Menschen mit einer Essstörung vermeiden es deshalb immer mehr, in Gesellschaft zu essen. Manche verzichten sogar ganz auf soziale Kontakte, die mit gemeinsamem Essen verbunden sein könnten – oder erfinden Ausreden, etwa Nahrungsmittel-Allergien oder dass sie kurz vorher schon viel gegessen hätten. Andere lassen in unbeobachteten Momenten Essen zum Beispiel in der Serviette verschwinden. Gerade wenn Kinder betroffen sind, können sich Mahlzeiten in die Länge ziehen und zu konfliktgeladenen Situationen entwickeln, die regelmäßig in Streit oder Gefühlsausbrüchen enden.

Was passiert nach dem Essen?

Besonders bei der Bulimie ist das sogenannte typisch. Damit sind Maßnahmen gemeint, die dafür sorgen sollen, die aufgenommenen Kalorien nach dem Essen so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Viele Betroffene lösen dazu mit den Fingern Brechreiz bei sich aus. Andere verwenden Abführmittel, um Durchfall zu erzeugen, sodass der Darm weniger Nährstoffe aufnehmen kann. Viele treiben auch besonders viel Sport, um die Kalorien direkt wieder zu verbrennen.

Manche ergreifen eher Maßnahmen, die das Körpergewicht durch Flüssigkeitsverlust senken. Dazu gehören der Missbrauch harntreibender Medikamente oder starkes Schwitzen durch langes Saunieren.

Verändert sich das Verhalten auch unabhängig vom Essen?

Um das Nicht-Essen oder Essanfälle zu verheimlichen, ziehen sich Menschen mit einer Essstörung immer mehr von ihrem Umfeld zurück. Gerade in einer Familie kann dies früher auffallen als das Essverhalten selbst. So ist vielleicht ein Kind immer weniger zugänglich, vermeidet den Kontakt mit den Eltern oder fängt an, zu verheimlichen, dass es den ganzen Tag nichts gegessen hat.

Essstörungen sind oft von andauernder niedergeschlagener Stimmung begleitet. Zusätzlich kann es zu Gereiztheit, Aggressivität und Angstgefühlen kommen. Manche Betroffene haben Suizidgedanken.

Wichtig ist:

Der Rat von Ärztinnen und Ärzten oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist nötig, um festzustellen, ob tatsächlich eine Essstörung vorliegt. Er ist auch der erste Schritt in eine passende Behandlung.

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Erstellt am 23. Juli 2025

Nächste geplante Aktualisierung: 2028

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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