Essstörungen: Informationen für Eltern und Angehörige

Foto eines Paares im Beratungsgespräch

Wenn jemand eine Essstörung hat, sind in der Regel gleich mehrere Personen betroffen: Auch für die Familie, die Partnerin oder den Partner und den Freundeskreis kann der Umgang mit der Erkrankung schwierig sein.

Essstörungen treten besonders häufig bei jungen Menschen auf. Wenn Kinder oder Jugendliche erkranken, ist das für das gesamte Umfeld, besonders aber für Eltern und Geschwister belastend. Gerade Eltern quälen oft sorgenvolle Fragen: Was ist nur los? Habe ich etwas falsch gemacht? Wie kann ich meinem Kind helfen, und wie kann es jetzt weitergehen?

Was ist nur los?

Oft ist zunächst gar nicht klar, was eigentlich nicht stimmt – die „Essstörung“ ist noch in weiter Ferne. Aber die Probleme sind schon da. Entwickelt ein Kind oder ein Jugendlicher eine Essstörung, fällt den Eltern oft zuerst auf, dass sich ihre Tochter oder ihr Sohn zurückzieht und nicht mehr so oft oder so offen mit ihnen spricht. Es kann auch auffallen, dass sie oder er häufiger Ausreden hat, um nicht essen zu müssen, und zum Beispiel behauptet, bereits bei einem Freund oder einer Freundin gegessen zu haben.

Dass Rückzug, Schweigsamkeit oder Ausflüchte mit dem Essen in Verbindung stehen könnten, ist zunächst oft gar nicht klar. Eltern haben einfach das Gefühl, den Draht zu ihrem Kind zu verlieren. Viele haben auch keine Idee, wie sie das ansprechen können – oder das Kind blockt solche Versuche ab. Hilflosigkeit und Verzweiflung, aber auch Ärger und Wut sind dann natürliche und nachvollziehbare Reaktionen der Eltern – und können Eltern und Kind noch weiter voneinander entfernen. Und zu spüren, dass Eltern, Geschwister und Freunde aufgrund der Situation traurig, erschöpft oder verärgert sind, kann das betroffene Kind wiederum zusätzlich belasten und die Essstörung womöglich noch verstärken.

Gut zu wissen:

Es ist nicht immer einfach, eine Essstörung festzustellen. Es gibt aber einige Hinweise, die bei einer ersten Einschätzung helfen können. Dazu informiert der Text „Woran kann man eine Essstörung erkennen?“.

Warum werden gemeinsame Mahlzeiten oft schwierig?

Das gemeinsame Abendessen als täglicher Familientreffpunkt, der regelmäßige Einkauf, Lieblingsgerichte kochen, Pausenbrote schmieren – versorgen und versorgt sein: Essen spielt im familiären Miteinander eine zentrale Rolle. Eine Essstörung trifft da mitten hinein und kann die gesamte Familie belasten: Mahlzeiten werden zu Szenen, die von Misstrauen, hilfloser Sprachlosigkeit und unausgesprochenen Vorwürfen bis hin zu lauten Auseinandersetzungen mit Tränen und Wutausbrüchen geprägt sind. Was der Familie eigentlich guttun soll, wird zur schwer erträglichen Situation. Das gilt übrigens nicht nur für Familien mit Kindern: Auch bei Paaren oder im Freundeskreis wird das gemeinsame Essen aufgrund der Essstörung oftmals zu einer schwierigen Situation für alle Beteiligten.

Habe ich etwas falsch gemacht?

Bin ich schuld daran, dass meine Tochter oder mein Sohn eine Essstörung hat? Viele Eltern quält diese Frage. Eine Essstörung hat jedoch nie nur eine Ursache. Wie die Teile eines Puzzles müssen mehrere Ursachen und Auslöser zusammenkommen. Wenn man seinen Kindern vielleicht ungesundes Essverhalten vorgelebt oder früh das Gewicht zu einem großen Thema gemacht hat, kann das unter Umständen ein mögliches Puzzleteil sein, das zur Entstehung einer Essstörung beigetragen hat. Eine Essstörung entsteht aber nicht allein dadurch, dass man einmal etwas Unpassendes oder Verletzendes gesagt hat.

Oft wollen von Essstörungen betroffene Menschen zunächst nicht wahrhaben, dass sie krank sind. Wenn andere ihr Verhalten als Folge einer seelischen Erkrankung definieren und eine Behandlung einleiten, wehren sie sich vielleicht dagegen: Sie wollen ihr Essverhalten nicht ändern und damit das Gefühl von Kontrolle über ihr Leben behalten. Für Eltern ist dies besonders schwierig, weil sie eventuell gegen den Willen des eigenen Kindes ärztlichen oder psychotherapeutischen Rat einholen müssen.

Manchmal werfen sich Eltern auch vor, sie hätten die Probleme früher erkennen und schneller Hilfe suchen müssen. Oder sie sorgen sich, dass sie die Geschwister des betroffenen Kindes vernachlässigen.

Wie geht es den Geschwistern?

Auch Geschwister nehmen die Spannungen zwischen den Eltern und dem erkrankten Kind oder Jugendlichen meist wahr. Viele fühlen sich dann, als säßen sie zwischen den Stühlen: Einerseits möchten sie sich auf die Seite des Bruders oder der Schwester stellen, andererseits haben sie vielleicht auch keinen Zugang zu ihm oder ihr und möchten sich zudem loyal den Eltern gegenüber verhalten.

Die Essstörung kann die Bindung zwischen den Geschwistern noch enger werden lassen – die Beziehung kann aber auch darunter leiden. Auch Geschwister können Schuldgefühle entwickeln, sich der Erkrankung des Bruders oder der Schwester hilflos ausgeliefert fühlen und häufiger traurig sein. Das Gefühl, dass sich alles nur um das erkrankte Familienmitglied dreht, belastet Geschwister wie Eltern. Mitunter ahmen Geschwister das Essverhalten ihrer Schwester oder ihres Bruders nach.

Manche Geschwister ziehen aber auch Positives aus der Erfahrung und entwickeln mehr Offenheit, Empathie und Toleranz beim Thema „psychische Erkrankungen“. Oft sind Geschwister auch an der Behandlung beteiligt – insbesondere bei psychotherapeutischen Ansätzen wie der familienbasierten .

Was ist während der Behandlung wichtig?

Mit der ist bereits ein erster, wichtiger Teil des Weges geschafft. Aber auch in der Zeit der Behandlung sorgen sich viele Eltern – zum Beispiel, dass ihr Kind die abbrechen könnte.

Es lohnt sich, die behandelnden Fachleute zu allen Unsicherheiten zu befragen. Dazu gehören nicht nur medizinische Erklärungen zu den Behandlungen, sondern auch Informationen zu rechtlichen Vorgaben, die das Kind vor Schaden schützen sollen – etwa, wenn in besonders schweren Ausnahmesituationen eine Zwangsernährung nötig wird.

Eltern und andere nahe Angehörige, aber auch Freundinnen und Freunde oder Partnerinnen und Partner spielen für die erkrankte Person eine wichtige Rolle. Oft werden sie zu einzelnen Psychotherapie-Stunden mit eingeladen. Bei einigen Psychotherapie-Verfahren finden auch Termine im Familienalltag statt. Manchmal ist es aber auch sinnvoll, dass für eine gewisse Zeit wenig oder kein Kontakt zwischen dem erkrankten Kind oder Jugendlichen und seinen Eltern oder anderen Bezugspersonen besteht.

Wie werden Essstörungen behandelt?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Essstörung zu behandeln. Den Kern bildet in der Regel eine Psychotherapie.

Die Behandlung kann sich über Monate bis Jahre hinziehen – mit Höhen und Tiefen. Und auch danach sind zum Beispiel durch Nachsorgetermine und mögliche Rückfälle nicht alle Sorgen um das Kind vom Tisch. Das Gefühl, das Kind immer im Auge behalten zu müssen und sich selbst kaum Auszeiten gönnen zu können, belastet viele Angehörige während dieser Zeit. Gleichzeitig erfordert es Energie, durch offene und verständnisvolle Gespräche wieder gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

Was können Eltern und Angehörige für sich selbst tun?

Die Sorge um das Kind oder den Jugendlichen mit einer Essstörung steht oftmals zunächst im Vordergrund. Aber es ist auch wichtig und berechtigt, dass Angehörige gut für sich selbst sorgen. Für viele ist es hilfreich, wenn dieser Aspekt bereits im Rahmen der Behandlung des Kindes mitbedacht wird und zum Beispiel mit der Therapeutin oder dem Therapeuten besprochen werden kann.

Manche Angehörige suchen sich auch selbst einen ambulanten Therapieplatz oder wenden sich an eine Beratungsstelle, um die eigenen Probleme mit professioneller Hilfe aufzuarbeiten. Dabei können zum Beispiel Schuldgefühle im Vordergrund stehen, die mit vorgelebtem „falschen Essen“ zu tun haben. oder Beratung können dann helfen, sowohl mit den Schuldgefühlen umzugehen als auch eigenen Problemen mit dem Essverhalten auf den Grund zu gehen.

Auch das Engagement in Selbsthilfe-Organisationen und der Austausch mit anderen Eltern oder Geschwistern ist für viele ein hilfreicher Weg, wieder mehr Gelassenheit und Lebensfreude zu entwickeln. Bei der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (NAKOS) können auch Angehörige online bundesweit nach einer passenden Selbsthilfegruppe suchen.

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Erstellt am 23. Juli 2025

Nächste geplante Aktualisierung: 2028

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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