Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine der verbreitetsten und am besten untersuchten Formen von Psychotherapie. Sie kombiniert zwei Therapieansätze: die kognitive Therapie und die Verhaltenstherapie.
Welche Behandlungsmethoden eingesetzt werden, hängt davon ab, um welches Problem, welche Erkrankung oder Störung es sich handelt. Die Grundidee der Therapie ist aber immer dieselbe: Was wir denken, wie wir uns verhalten und welche Gefühle andere in uns auslösen, hängt eng miteinander zusammen – und ist entscheidend für unser Wohlbefinden.
Was ist eine kognitive Therapie?
Der Begriff „kognitiv" stammt von dem lateinischen Wort „cognoscere“ und bedeutet „erkennen“. In einer kognitiven Therapie geht es darum, sich über seine Gedanken, Einstellungen und Erwartungen klar zu werden. Das Ziel ist, falsche und belastende Überzeugungen zu erkennen und zu verändern. Denn häufig sind es nicht nur Begebenheiten im Alltag oder bestimmte Situationen selbst, die Probleme bereiten, sondern auch eine viel zu große Bedeutung, die man ihnen gibt.
Ein Beispiel für ein solches belastendes Denkmuster ist die sogenannte Übergeneralisierung: Menschen leiten aus einer schlechten Erfahrung eine allgemeingültige Regel ab und übertragen sie auf ähnliche Situationen. Ein anderer belastender Denkfehler ist die „Katastrophisierung“: Ein beunruhigendes Ereignis führt zu übertriebenen Sorgen vor einem viel schlimmeren drohenden Unglück.
Solche Denkmuster entwickeln sich manchmal zu einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ und können einem das Leben schwermachen. Wer zum Beispiel glaubt, dass andere Menschen etwas gegen einen haben, verhält sich vielleicht ablehnend – und löst dadurch selbst aus, dass andere unfreundlicher werden.
Mithilfe einer kognitiven Therapie kann man jedoch lernen, falsche Denkmuster durch realistischere und weniger schädliche Gedanken zu ersetzen. Sie hilft dabei, klarer zu denken und die eigenen Gedanken besser zu kontrollieren.
Wie funktioniert eine kognitive Verhaltenstherapie?
Die Verhaltenstherapie hat ihren Ursprung im sogenannten Behaviorismus. Diese Theorie geht davon aus, dass menschliches Verhalten (engl. = behavior) erlernt ist. Deshalb kann es auch wieder verändert oder neu gelernt werden. In einer Verhaltenstherapie geht es darum, herauszufinden, ob es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die einem das Leben erschweren oder Probleme verstärken. Im zweiten Schritt wird daran gearbeitet, solche Verhaltensweisen zu ändern.
Menschen mit depressiven Gedanken neigen zum Beispiel häufig dazu, sich zurückzuziehen und ihre Hobbys oder Freundschaften nicht mehr zu pflegen. Das führt dazu, dass sie sich noch unglücklicher und isolierter fühlen. In einer Verhaltenstherapie kann dieser Mechanismus erkannt und nach Wegen gesucht werden, um wieder aktiver zu werden.
Bei Angststörungen besteht ein Teil der Verhaltenstherapie häufig darin, beruhigende Verhaltensweisen zu erlernen. Zum Beispiel kann man lernen, die eigene Angst durch bewusstes tiefes Ein- und Ausatmen zu verringern, sodass Körper und Atmung zur Ruhe kommen. Dabei konzentriert man sich auf die Atmung anstatt auf den Auslöser der Angst. Solche Techniken können dabei helfen, sich zu beruhigen und nicht in die Angst hineinzusteigern.
Die meisten Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die in kognitiver Verhaltenstherapie ausgebildet sind, bezeichnen sich in Deutschland als Verhaltenstherapeutinnen und -therapeuten.
Welche Denk- und Verhaltensmuster sind schädlich, welche neutral?
Schädliche Gedanken oder Verhaltensweisen können dazu führen, dass man sich schlecht fühlt. Ein Beispiel: Man begegnet auf der Straße einem Bekannten und grüßt ihn, aber er grüßt nicht zurück. Die eigene Reaktion darauf hängt stark davon ab, wie man die Situation bewertet:
Reaktion | schädlich | neutral |
---|---|---|
Gedanken | „Er hat mich ignoriert – er kann mich nicht mehr leiden.“ | „Er hat mich gar nicht bemerkt – vielleicht bedrückt ihn etwas. Ich sollte mal wieder bei ihm anrufen und hören, wie es ihm geht.“ |
Gefühle | Wer so denkt, fühlt sich niedergeschlagen, traurig und zurückgewiesen. | Bei diesem Gedanken kommen keine negativen Gefühle auf. |
Verhalten | Dieser Gedanke hat zur Folge, dass man den Bekannten in Zukunft meidet, obwohl die eigene Vermutung völlig falsch sein könnte. | Dieser Gedanke führt dazu, dass man mit dem Bekannten Kontakt aufnimmt und nachfragt, ob alles in Ordnung ist. |
Was unterscheidet eine Verhaltenstherapie von anderen Psychotherapien?
Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist problemorientiert. Es geht darum, an konkreten aktuellen Problemen zu arbeiten und Lösungen für sie zu finden. Im Gegensatz zum Beispiel zur Psychoanalyse beschäftigt sie sich wenig mit der Vergangenheit. Die „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht im Vordergrund: Man soll sein Leben so rasch wie möglich wieder ohne therapeutische Hilfe bewältigen können. Dies bedeutet nicht, dass der Einfluss vergangener Geschehnisse in einer kognitiven Verhaltenstherapie völlig ausgeblendet wird. Es geht aber vor allem darum, aktuell belastende Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern.
In der analytischen Psychotherapie, die ihren Ursprung in der klassischen Psychoanalyse nach Freud hat, werden andere Methoden angewendet. Dabei hilft die Therapeutin oder der Therapeut, Probleme und deren tiefere Ursachen aufzudecken und zu verstehen.
Gut zu wissen:
Im Text „Was ist eine Psychotherapie und wie läuft sie ab?“ werden die verschiedenen Therapieverfahren vorgestellt und praktische Fragen beantwortet, zum Beispiel zur Beantragung.
Wann kommt eine Verhaltenstherapie infrage?
Eine kognitive Verhaltenstherapie wird unter anderem zur Behandlung von Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen, Essstörungen und Suchterkrankungen eingesetzt. Sie kommt aber auch bei körperlichen Erkrankungen wie chronischen Schmerzen, Tinnitus und Rheuma infrage: Sie kann helfen, mit den Beschwerden besser zurechtzukommen.
Eine Verhaltenstherapie erfordert viel Eigeninitiative. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn man aktiv und offen mit der Therapeutin oder dem Therapeuten spricht und zwischen den Sitzungen an den eigenen Problemen arbeitet. Gerade bei schweren psychischen Erkrankungen, etwa einer ausgeprägten Depression oder Angststörung, kann dies viel Kraft erfordern. Manchmal werden daher zunächst Medikamente eingesetzt, um die stärksten Symptome kurzfristig zu lindern und dadurch eine Psychotherapie erst zu ermöglichen.
Die Entscheidung für eine bestimmte Art von Psychotherapie hängt sehr von den eigenen Zielen ab. Wer das Bedürfnis hat, tiefe Einblicke in die Ursachen der eigenen Probleme zu erhalten, ist in einer Verhaltenstherapie vermutlich nicht gut aufgehoben. Sie ist für alle sinnvoll, die aktuelle konkrete Probleme bewältigen möchten und sich weniger für die Gründe interessieren.
Wie läuft eine Verhaltenstherapie ab und wie lange dauert sie?
Bei einer kognitiven Verhaltenstherapie ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten wichtig. Manchmal dauert es eine Weile, bis die richtige Therapeutin oder der richtige Therapeut gefunden ist.
Im ersten Gespräch stellt man seine Probleme kurz vor und äußert Wünsche und Erwartungen an die Therapie. Dann werden die Behandlungsziele und der Therapieplan gemeinsam vereinbart. Wenn sich die persönlichen Ziele im Verlauf der Therapie ändern, werden sie entsprechend angepasst.
Ein Teil der Therapie besteht oft darin, eigene Gedanken, Gefühle oder einzelne Situationen über einige Zeit in einem Tagebuch festzuhalten. Gemeinsam mit der Therapeutin oder dem Therapeuten wird dann erörtert: Schätze ich die Dinge, die ich erlebe, realistisch ein? Was geschieht, wenn ich mich in einer bestimmten Situation anders verhalte als bisher? Erreichte Fortschritte und mögliche Probleme werden in den Sitzungen regelmäßig besprochen.
Teil einer Verhaltenstherapie sind auch Übungen zur Entspannung, zur Stress- oder Schmerzbewältigung.
Verglichen mit einer analytischen Psychotherapie ist die Verhaltenstherapie eine kurzzeitige Behandlung. Wie lange sie dauert, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Manchen geht es bereits nach wenigen Sitzungen deutlich besser, bei anderen ist eine Behandlung über mehrere Monate nötig. Dies hängt unter anderem von der Art und Schwere der Probleme ab. Ein Einzelgespräch dauert meist ungefähr eine Stunde. Die Sitzungen finden üblicherweise einmal pro Woche statt.
Kognitive Verhaltenstherapien werden in therapeutischen Praxen, Kliniken und Reha-Einrichtungen angeboten, teilweise auch als Gruppentherapie oder online mithilfe digitaler Medien.
Gut zu wissen:
Der Text „Psychische Probleme: Wo gibt es Hilfe?“ bietet Informationen zu verschiedenen Anlaufstellen.
Kann eine Verhaltenstherapie auch unerwünschte Wirkungen haben?
Eine Psychotherapie kann auch unerwünschte Wirkungen haben: Die direkte Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen oder Ängsten kann zunächst belasten und verunsichern. Eine mögliche Folge ist auch, dass sich Beziehungen zu anderen Personen verschlechtern. Wichtig ist, mit der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten offen darüber zu sprechen, wenn während der Therapie Schwierigkeiten auftreten.
Wissenschaftlich sind unerwünschte Wirkungen von Psychotherapien bislang kaum untersucht.
Wer trägt die Kosten?
Bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen und Suchterkrankungen wird eine kognitive Verhaltenstherapie von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Auch wenn Beschwerden infolge einer chronischen Erkrankung zu einem erheblichen Leidensdruck führen, kann eine Verhaltenstherapie bezahlt werden. Es kann jedoch einige Wochen oder Monate dauern, bis man einen Therapieplatz bekommt oder bis die Krankenkasse die Behandlung genehmigt.
Eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut kann zunächst bis zu 4 Probesitzungen (probatorische Sitzungen) mit der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen – bei Kindern und Jugendlichen oder Menschen mit geistiger Behinderung bis zu 6 Sitzungen. Das ermöglicht es, sich gegenseitig kennenzulernen und festzustellen, welche Probleme vorliegen und ob eine Therapie sinnvoll ist. Nach den probatorischen Sitzungen wird gemeinsam ein Antrag für die gesetzliche Krankenkasse vorbereitet, der begründet, warum eine Therapie erforderlich ist. Dieser Antrag muss vor Therapiebeginn bei der Krankenkasse eingereicht werden. Neben dem Therapieantrag verlangt die Krankenkasse einen (haus-)ärztlichen Bericht, aus dem hervorgeht, dass die vorliegenden Beschwerden nicht körperlich bedingt sind und keine medizinischen Gründe gegen eine Psychotherapie sprechen. Die gesetzliche Krankenkasse entscheidet dann auf der Grundlage eines Gutachtens, ob eine Therapie bewilligt wird.
Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA). Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie). 2024.
Pschyrembel Online. 2025.
Robert Koch-Institut (RKI). Indikatoren zu psychischen Störungen (ab 18 Jahren): Prävalenz von psychischen Störungen, Angststörungen/-symptomen, Depression. 2024.
IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.
Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.
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