ADHS bei Erwachsenen

Foto von Mann beim Blick auf die Armbanduhr

Eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beginnt im Kindes- und Jugendalter. Bei vielen sind die Symptome mit zunehmendem Alter schwächer ausgeprägt als im Kindes- oder Jugendalter. Bei einigen Menschen wird eine ADHS auch erst im Erwachsenenalter festgestellt.

Fachleute haben sich auf bestimmte Kriterien geeinigt, die für eine ADHS-Diagnose erfüllt sein müssen. Sie beschreiben verschiedene Ausprägungen von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Schätzungsweise 15 % der Kinder und Jugendlichen mit ADHS erfüllen diese Kriterien auch noch vollständig, wenn sie erwachsen sind. Allerdings äußert sich eine ADHS bei Erwachsenen häufig anders. Die Hyperaktivität geht oft zurück, im Vordergrund stehen dann die Unaufmerksamkeit, innere Unruhe und Probleme, die eigenen Gefühle zu regulieren.

Es kommt vor, dass eine ADHS-Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt wird. Für Erwachsene mit ADHS kann es schwierig sein, Unterstützung zu finden. Da ADHS bisher meist als Problem des Kindesalters betrachtet wurde, sind die Angebote zur Beratung und Behandlung von betroffenen Erwachsenen noch nicht so verbreitet wie für Kinder und Jugendliche.

Wie äußert sich eine ADHS im Erwachsenenalter?

Bei Erwachsenen ist eine ADHS weniger offensichtlich als bei hyperaktiven Kindern und Jugendlichen. Erwachsene mit ADHS haben vor allem Probleme, ihren Alltag oder ihre Arbeit zu organisieren, sich über längere Zeit auf Aufgaben zu konzentrieren oder Termine einzuhalten.

Sie können aber auch sehr impulsiv sein. Zum Beispiel reden Erwachsene mit ADHS viel und unterbrechen andere oft. Manche bekommen schnell Ärger, beenden voreilig Beziehungen, wechseln von jetzt auf gleich den Job oder kündigen, bevor sie eine neue Stelle haben. Auch im Straßenverkehr kann es zu Schwierigkeiten kommen, etwa durch rücksichtsloses Fahren.

Viele Erwachsene mit ADHS tun sich schwer damit, ihre Gefühle im Gleichgewicht zu halten. Sie sind leicht reizbar und haben eine niedrige Frustrationstoleranz. Wenn sie gestresst sind, fällt es ihnen schwer, ihre Pflichten zu erfüllen. Erwachsene mit ADHS können auch Schwierigkeiten haben, sich Ziele zu setzen und diese zu erreichen.

Entscheidend ist: Wenn jemand psychische Probleme hat, die die Lebensqualität deutlich und über längere Zeit beeinträchtigen, ist es sinnvoll, professionellen Rat einzuholen. Wichtig ist zudem, dass eine ADHS-Diagnose sorgfältig gestellt wird, damit es nicht zu unnötigen oder falschen Behandlungen kommt.

Wie wird ADHS bei Erwachsenen festgestellt?

Die Diagnosekriterien sind bei Erwachsenen im Prinzip dieselben wie die bei Kindern mit ADHS. Eine wird gestellt, wenn

  • die Auffälligkeiten in der Kindheit begonnen haben,
  • mindestens sechs Anzeichen von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität oder Impulsivität vorhanden sind,
  • in mehr als einem Lebensbereich Probleme bestehen und
  • das Sozial- oder Berufsleben stark beeinträchtigt ist.

Manche Menschen mit ADHS haben in der Kindheit nie eine erhalten. Für sie gibt es einen speziellen Fragebogen (zum Beispiel die „Wender-Utah-Rating-Scale“), der Ärztinnen und Ärzten helfen soll, die rückblickend zu stellen. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass sie Medikamente verordnen dürfen.

Wichtig ist, andere psychische Erkrankungen auszuschließen, die die Symptome erklären könnten. Manchmal wird eine ADHS für eine Persönlichkeitsstörung wie das gehalten. Auch Erkrankungen wie die können mit ADHS verwechselt werden.

Viele Menschen mit ADHS haben zusätzlich Begleiterkrankungen oder weitere Probleme wie soziale Verhaltensstörungen, Depressionen, eine oder Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Solche Begleiterkrankungen können unter Umständen eine Folge der ADHS sein. Viele Erwachsene mit ADHS berichten, dass sie nur wenig Selbstbewusstsein haben, manche entwickeln deshalb eine . Alkohol oder Drogen können für Betroffene ein Versuch sein, die Probleme einer ADHS zu bewältigen oder Symptome zu lindern.

Wie gehen andere mit der Erkrankung um?

Viele Erwachsene mit ADHS haben vor allem wegen ihrer Unaufmerksamkeit und Impulsivität Probleme. Manche entwickeln aber gute Strategien, um damit umzugehen, zum Beispiel:

  • Den Tag genau planen und Erinnerungslisten erstellen, damit man nichts vergisst. Dabei ist es wichtig, sich nicht zu viel vorzunehmen.
  • Aufgaben in kleinere Schritte aufteilen, damit es leichter fällt, sie nach und nach zu erledigen.
  • An wichtigen Stellen Erinnerungshilfen platzieren, etwa an der Haustür, am Kühlschrank oder im Auto.
  • Wichtige Termine und Aufgaben in einem Notizbuch oder einer Handy-App vermerken.
  • Routinen einführen und zum Beispiel wichtige Gegenstände wie den Hausschlüssel oder die Brieftasche immer am gleichen Ort hinterlegen.

Da die Probleme bei ADHS sehr individuell sind, ist es schwierig, allgemeingültige Ratschläge zu geben. Viele Menschen finden aber mit der Zeit heraus, was ihnen helfen kann, im Alltag besser zurechtzukommen. Die Unterstützung von Freundeskreis und Familie ist dabei hilfreich.

An wen können sich Erwachsene mit ADHS wenden?

Für Erwachsene mit ADHS sind in der Regel Fachärztinnen und -ärzte für Psychiatrie, Medizin, Neurologie sowie ärztliche oder psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten zuständig. Wenn junge Menschen mit ADHS volljährig werden, ist es sinnvoll, frühzeitig nach einer neuen Praxis zu suchen, da es eine Weile dauern kann, bis man einen Arzttermin bekommt. Manchmal können aber auch Volljährige bis zum Alter von 21 Jahren weiter bei ihrem Kinder- und Jugendpsychiater oder -therapeuten behandelt werden.

Wem soll ich von meiner Diagnose erzählen?

Menschen mit psychischen Erkrankungen fragen sich oft, ob sie anderen von ihrer erzählen sollen. Der enge Freundeskreis oder Familienangehörige wissen vielleicht Bescheid. Anders ist es am Arbeitsplatz: Ob man Kolleginnen, Kollegen oder Vorgesetzten von seiner erzählt, ist eine sehr schwierige und persönliche Abwägung. Viele Menschen behalten ihre für sich, weil sie

  • Angst davor haben, den Job zu verlieren oder einen Job nicht zu bekommen;
  • befürchten, am Arbeitsplatz diskriminiert zu werden;
  • über ihre Rechte als Arbeitnehmer unsicher sind oder
  • ihre Erkrankung als etwas Privates sehen, das niemanden etwas angeht.

Es gibt aber auch Gründe, die für einen offenen Umgang mit der sprechen:

  • Auf Dauer kann es psychisch anstrengend sein, die Erkrankung vor anderen zu verstecken.
  • Die Angst, dass sie vielleicht doch bemerkt werden könnte, belastet häufig.
  • Offen und ehrlich mit seinen Problemen umzugehen, kann erleichternd sein.
  • Wenn die Erkrankung nicht bekannt ist, ist es nicht möglich, Ansprüche auf Hilfeleistungen zu stellen.
  • Von Kollegen und Vorgesetzen, die von der Erkrankung wissen, ist eher Unterstützung und Verständnis zu erwarten.

Weil es je nach der persönlichen Situation verschiedene Vor- und Nachteile haben kann, offen mit einer psychischen Erkrankung umzugehen, gibt es keine allgemeine Antwort auf die Frage, wem man von der erzählen soll. Es kann helfen, sich dazu von der Ärztin, dem Arzt oder Psychotherapeuten beraten zu lassen. In größeren Firmen besteht oft die Möglichkeit, sich zunächst vertraulich an den Betriebsrat oder den betriebsärztlichen Dienst zu wenden.

Asherson P, Adamou M, Bolea B et al. Is ADHD a valid diagnosis in adults? Yes. BMJ 2010; 340: c549.

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ). Langfassung der interdisziplinären evidenz- und konsensbasierten (S3) Leitlinie "Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter" (in Überarbeitung, gültig bis 01.05.2022). AWMF-Registernr.: 028-045. 2018.

Faraone SV, Biederman J, Mick E. The age-dependent decline of attention deficit hyperactivity disorder: a meta-analysis of follow-up studies. Psychol Med 2006; 36(2): 159-165.

Moncrieff J, Timimi S. Is ADHD a valid diagnosis in adults? No. BMJ 2010; 340: c547.

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

Seite kommentieren

Was möchten Sie uns mitteilen?

Wir freuen uns über jede Rückmeldung entweder über das Formular oder über gi-kontakt@iqwig.de. Ihre Bewertungen und Kommentare werden von uns ausgewertet, aber nicht veröffentlicht. Ihre Angaben werden von uns vertraulich behandelt.

Bitte beachten Sie, dass wir Sie nicht persönlich beraten können. Wir haben Hinweise zu Beratungsangeboten für Sie zusammengestellt.

Über diese Seite

Aktualisiert am 04. Mai 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

So halten wir Sie auf dem Laufenden

Abonnieren Sie unseren Newsletter oder Newsfeed. Auf YouTube finden Sie unsere wachsende Videosammlung.