Den Alltag mit ADHS bewältigen: Infos für Eltern

Foto von Sohn und Vater bei einer Fahrrad-Reparatur

Es ist nicht leicht, ein Kind mit ADHS großzuziehen. Oft ist der Familienalltag von Konflikten geprägt und manchmal übt die Umgebung zusätzlichen Druck aus. Mitunter halten Lehrkräfte, Bekannte, Angehörige oder andere Eltern das Verhalten des Kindes für einen Erziehungsfehler. Viele Eltern entwickeln mit der Zeit aber Strategien, mit denen sie den Alltag besser bewältigen.

Ein Kind mit ADHS zu erziehen, kann sehr anstrengend sein. Eltern wird viel Aufmerksamkeit abverlangt; das Verhalten des Kindes führt oft zu familiären Auseinandersetzungen und zu Problemen in der Schule. Gemessen an der Norm verhalten sich Kinder mit ADHS auffällig unkontrolliert und unruhig. Sie befolgen Anweisungen und Regeln nicht und sind manchmal aggressiv. Es ist daher völlig normal, dass Eltern neben der Sorge um ihr Kind bisweilen überfordert sind und gereizt bis wütend reagieren. Wichtig ist aber, sich immer wieder klar zu machen, dass sich das Kind nicht absichtlich so verhält.

Viele Familien entwickeln mit der Zeit Strategien, die im Alltag helfen. Es gibt verschiedene Methoden, die dabei unterstützen, den Tag gut zu strukturieren, Überraschungen zu vermeiden oder zumindest gut darauf vorbereitet zu sein. Manche Eltern haben Bedenken, wenn es darum geht, klare Regeln aufzustellen, weil sie nicht zu autoritär oder streng sein wollen. Es geht bei den Erziehungshilfen aber eher darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen das Kind besser zurechtkommt als ohne.

Routinen, klare Anweisungen und Regeln

Viele Eltern empfinden es als hilfreich, den Tag gut zu planen und zu strukturieren. Mithilfe klarer Routinen wissen die Kinder, was sie zu erwarten haben und können sich besser darauf einstellen. Viele Eltern berichten auch, dass es hilft, Unerwartetes frühzeitig anzukündigen.

Sinnvoll ist, den Kindern ganz konkrete Anweisungen zu geben. Zum einen weiß das Kind dann genau, was es tun soll – zum anderen bietet sich die Möglichkeit, es zu loben oder zu belohnen, wenn es die gestellte Aufgabe gut gemacht hat. Beispiel: Statt „Bitte räum dein Zimmer auf“ ist es besser, zu sagen: „Bitte räum dein Spielzeug in die Kiste und mach dein Bett“. Wenn Kinder sich daran halten, ist es wichtig, sie dafür auch gezielt zu loben, zum Beispiel: „Danke, dass du das Geschirr so gut abgewaschen hast.“

Eltern berichten oft, dass es hilft, klare Verhaltensregeln aufzustellen und das Kind zu belohnen, wenn die Regeln eingehalten werden. Eine Belohnung kann zum Beispiel das Recht auf eine bestimmte Zeit sein, in der es fernsehen darf. Bricht das Kind die Regel, wird ihm dieses Recht wieder entzogen. Damit das System funktioniert, sollte klar sein, welches Verhalten vom Kind erwartet und auf welche Weise es dafür belohnt wird. Außerdem ist es wichtig, bei der Umsetzung der Vereinbarungen möglichst konsequent zu sein.

Realistische Ziele setzen

Kinder und Jugendliche mit ADHS können in vielen Lebensbereichen Probleme haben. Daher möchten Eltern vielleicht am liebsten alles auf einmal erreichen: die Beziehungen zu Geschwistern, Mitschülerinnen und Mitschülern und Lehrkräften verbessern und auch Fortschritte beim Lernen erzielen.

Um ein Kind aber nicht zu überfordern und keinen Frust hervorzurufen, ist es sehr wichtig, machbare Ziele zu vereinbaren. Sie sollten in kleinen Schritten angegangen werden und für das Kind umsetzbar sein. Ein konkretes Ziel wäre zum Beispiel, in der Schulpause mit anderen Kindern zu spielen, ohne in einen Konflikt zu geraten. Mit Checklisten oder anderen Hilfsmitteln lassen sich Ziele und Erfolge festhalten und überprüfen.

Auf Reizsignale achten

Wer früh genug bemerkt, dass das Kind in einer Situation überfordert ist, von Reizen überflutet oder unruhig wird und droht, die Beherrschung zu verlieren, kann schnell handeln und eine Pause einlegen, indem man zum Beispiel mit dem Kind in einen anderen Raum geht.

Im Alltag auf solche Hinweise zu achten, hilft auch zu erkennen, welche Reize oder Situationen das problematische Verhalten auslösen können. Wichtig ist, mit dem Kind im Gespräch zu bleiben – zum Beispiel in ruhigen Momenten zu fragen, wie es sich fühlt und was die Ursache für einen „Ausraster“ war.

Ein reizarmer Arbeits- und Schlafplatz könnte dem Kind auch helfen, sich besser zu konzentrieren oder besser einzuschlafen. Das kann zum Beispiel heißen, dass dort, wo das Kind schläft und seine Hausaufgaben macht, kein Fernseher oder Computer steht. Oder dass der Schreibtisch an einer Wand steht und nicht am Fenster, damit das Kind möglichst wenig abgelenkt werden kann.

Sport und Hobbys

Viele Eltern und Kinder empfinden Sport und Bewegung als ein hilfreiches Ventil, um sich „auszutoben“ und überschüssige Energie abzubauen. Dabei ist es allerdings wichtig, darauf zu achten, körperliche Aktivitäten gut anzuleiten, denn manche Kinder können bei zu viel Bewegung auch „überdrehen“. Kinder und Jugendliche mit ADHS haben außerdem häufiger mit Verletzungen durch Unachtsamkeit zu tun als andere in ihrem Alter. Daher eignen sich möglicherweise nicht alle Sportarten gleich gut.

Sport und Bewegung werden am besten für den Nachmittag eingeplant: Gegen Abend sollte Ruhe einkehren, damit es nicht zu Problemen mit dem Einschlafen kommt.

Auch andere Hobbys können hilfreich sein. Wichtig ist, dass ein Kind eine Beschäftigung findet, die seine Aufmerksamkeit fesselt, ihm Freude macht und bei der es Erfolgserlebnisse hat. Anerkennung zu bekommen und Erfolge zu erleben, hilft vielen Kindern, sich auch bei anderen, weniger beliebten Tätigkeiten besser zu konzentrieren.

Lob ist wichtig

Bei allen Problemen ist es wichtig, die Kinder ehrlich zu loben, wenn ihnen etwas gelungen ist, und ein gesundes Selbstbewusstsein zu fördern. Kinder mit ADHS bekommen oft zu wenig positive Reaktionen, weil sie zu Hause und in der Schule anecken und sich schwer damit tun, Freundschaften aufzubauen.

Es ist nicht immer einfach, Zuneigung und Verständnis zu zeigen, wenn das tägliche Miteinander schwierig bis nervenaufreibend ist. Sich dennoch liebevoll dem Kind zu widmen, etwas zusammen zu unternehmen, für Spaß und schöne gemeinsame Erlebnisse zu sorgen, kann helfen, chaotische Momente gelassener zu nehmen.

Auf eigene Bedürfnisse achten, Hilfen in Anspruch nehmen

Damit es besser gelingt, ruhig mit dem Kind umzugehen und dem fordernden Alltag etwas entgegenzusetzen, ist es wichtig, dass Eltern auch auf ihre eigenen Bedürfnisse achten. Dazu gehört, sich Hilfe zu holen – ob tatkräftige Entlastung durch Angehörige und Freunde oder professionelle Unterstützung bei der Erziehung des Kindes.

Es ist einen Versuch wert, andere vertraute Personen in die Betreuung einzubinden, die sich – unbelastet vom Alltag – gut mit dem Kind verstehen und ab und zu einen Nachmittag oder auch Abend mit ihm verbringen. Vielleicht ist es mit ihrer Hilfe möglich, regelmäßig erholsame Auszeiten für beide Eltern zu organisieren.

Elternschulungen wahrzunehmen, sich beraten zu lassen und einen guten Kontakt zu den Fachkräften aufzubauen, die die ADHS des Kindes behandeln, ist für viele Eltern eine wertvolle Hilfe. Sie können dabei unterstützen, die im Alltag nötigen Fähigkeiten wie Geduld, Gelassenheit und Toleranz zu entwickeln.

Für manche Mütter und Väter ist der Austausch mit anderen Eltern von Kindern mit ADHS in einer Selbsthilfegruppe hilfreich. In welcher Form auch immer: Sich helfen zu lassen und die Probleme aktiv anzugehen, kann den Familienalltag deutlich erleichtern. So gelingt es eher, den nötigen Abstand und Freiraum zu schaffen, um das Kind so gut wie möglich unterstützen zu können.

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ). Langfassung der interdisziplinären evidenz- und konsensbasierten (S3) Leitlinie "Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter" (in Überarbeitung, gültig bis 01.05.2022). AWMF-Registernr.: 028-045. 2018.

Zwi M, Jones H, Thorgaard C et al. Parent training interventions for Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) in children aged 5 to 18 years. Cochrane Database Syst Rev 2011; (12): CD003018.

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Aktualisiert am 04. Mai 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

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Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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