Hat es Vorteile, eine latente Schilddrüsenunterfunktion zu behandeln?

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Bei einer latenten Schilddrüsenunterfunktion werden noch genug Schilddrüsenhormone gebildet. Deshalb löst sie keine Beschwerden aus. Bestimmte Blutwerte können allerdings darauf hinweisen, dass die Schilddrüse nicht mehr so gut arbeitet. Ob es Vorteile hat, eine latente Unterfunktion zu behandeln, ist unklar.

Bei Menschen mit einer spürbaren (manifesten) Schilddrüsenunterfunktion produziert die Schilddrüse nicht genug Schilddrüsenhormone. Es kommt dadurch zu Symptomen wie Schwäche, Konzentrationsstörungen, Hautveränderungen und Depressionen.

Eine latente Schilddrüsenunterfunktion verursacht hingegen keine Beschwerden. Der Wert für die Schilddrüsenhormone liegt im normalen Bereich, aber es werden erhöhte TSH-Werte festgestellt. steht für „“. Dieses Hormon wird in der Hirnanhangdrüse produziert und regt die Schilddrüse (Thyreoidea) an, Schilddrüsenhormone zu bilden. Arbeitet die Schilddrüse nicht mehr so gut, reagiert die Hirnanhangdrüse darauf: Sie gibt mehr ins Blut ab, sodass die geschwächte Schilddrüse doch noch genug Schilddrüsenhormone bildet. Leicht erhöhte TSH-Werte können deshalb das erste Anzeichen für eine beginnende Schilddrüsenunterfunktion sein.

Es wird geschätzt, dass ungefähr 5 von 100 Menschen eine latente Schilddrüsenunterfunktion haben. Leicht erhöhte TSH-Werte stellen jedoch allein kein gesundheitliches Risiko dar. Oft sind die Werte auch nur vorübergehend erhöht, etwa nach starker körperlicher Anstrengung. Unter Fachleuten ist daher umstritten, ob und wann eine latente Schilddrüsenunterfunktion mit Hormontabletten behandelt werden sollte.

Wie kommt es zur Diagnose „latente Schilddrüsenunterfunktion“?

Ein erhöhter TSH-Wert kann zum Beispiel auffallen, wenn er bei einer Routine-Blutuntersuchung mitbestimmt wird. Der TSH-Wert wird auch gemessen, wenn bestimmte Therapien oder Untersuchungen anstehen, zum Beispiel mit jodhaltigem Kontrastmittel. Bei Schilddrüsenproblemen könnten diese Verfahren zu Komplikationen führen. Deshalb wird vorab geprüft, ob mit der Schilddrüse alles in Ordnung ist.

Fachleute sind sich allerdings nicht einig, ab wann genau der TSH-Wert als erhöht gelten sollte. Für manche ist bereits ein TSH-Wert von über 2,5 Millieinheiten pro Liter (mU/L) verdächtig, für viele andere gilt das noch als unauffälliger Wert.

Bei älteren Menschen ist ein höherer TSH-Wert normal. Fachleute haben deshalb die Grenzwerte an das Alter angepasst. Im mittleren Alter gilt zum Beispiel bereits ein Wert von über 4 mU/l als erhöht, bei über 80-Jährigen erst ein Wert von über 6 mU/l. Auch starkes Übergewicht und bestimmte Medikamente können den TSH-Wert erhöhen. In der Schwangerschaft kann der TSH-Wert etwas schwanken.

Wie verläuft eine latente Schilddrüsenunterfunktion?

Wie sich eine latente Hypothyreose entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab – unter anderem von der Höhe des TSH-Werts: Leicht erhöhte TSH-Werte normalisieren sich häufig von selbst. Bei stark erhöhten Werten kommt es dagegen oft innerhalb von einigen Monaten oder Jahren zu einer spürbaren Schilddrüsenunterfunktion mit Beschwerden.

In einer Studie wurden Menschen mit erhöhten TSH-Werten über etwa 2 bis 3 Jahre beobachtet. Sie hatten anfangs keine Beschwerden und auch keine bekannte Erkrankung der Schilddrüse. Die Teilnehmenden wurden nach ihrem TSH-Wert in drei Gruppen eingeteilt. Die Ergebnisse der Studie zeigten:

  • leicht erhöhter TSH-Wert (zwischen 5 und 10 mU/L): In dieser Gruppe entwickelten pro Jahr 2 % der Teilnehmenden eine Schilddrüsenunterfunktion mit Beschwerden.
  • mäßig erhöhter TSH-Wert (zwischen 10 und 15 mU/L): In dieser Gruppe entwickelten pro Jahr 20 % eine Schilddrüsenunterfunktion mit Beschwerden.
  • stark erhöhter TSH-Wert (über 15 mU/L): In dieser Gruppe entwickelten pro Jahr 73 % eine Schilddrüsenunterfunktion mit Beschwerden.

Manche Menschen mit einem erhöhten TSH-Wert bekommen nie Beschwerden. Auch bei Kindern und Jugendlichen normalisieren sich erhöhte TSH-Werte sehr häufig. Deshalb müssen leicht und mäßig erhöhte TSH-Werte nicht unbedingt behandelt werden.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einer latenten, also unbemerkten, eine spürbare Schilddrüsenunterfunktion entwickelt, ist höher, wenn die Schilddrüse vergrößert ist und Schilddrüsen-Antikörper im Blut nachweisbar sind. Frauen haben allgemein ein höheres Risiko als Männer.

Schilddrüsen-Antikörper weisen in der Regel auf eine sogenannte Hashimoto-Thyreoiditis hin. Diese Autoimmunerkrankung der Schilddrüse ist die häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion. Aber auch Schilddrüsen-Antikörper im Blut bedeuten nicht zwangsläufig, dass sich eine Unterfunktion entwickelt.

Hat eine Behandlung bei erhöhten TSH-Werten Vorteile?

Einige Ärztinnen und Ärzte raten Menschen mit einer latenten Schilddrüsenunterfunktion direkt zu einer Behandlung mit Hormontabletten (L-Thyroxin). Der Grund: Es gibt Hinweise, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei mäßig oder stark erhöhten TSH-Werten längerfristig etwas steigen könnte. Bei leicht erhöhten TSH-Werten ist ein solcher Zusammenhang nicht beobachtet worden.

Ob eine Thyroxin-Behandlung das Risiko für solche Folgeerkrankungen oder Beschwerden einer Schilddrüsenunterfunktion senken kann, ist allerdings unklar, weil in guten Studien bislang zu wenige Betroffene untersucht wurden.

Auch bei Kindern und Jugendlichen ist nicht belegt, dass die Behandlung einer latenten Schilddrüsenunterfunktion Vorteile hat. Manchmal sind erhöhte TSH-Werte bei Jugendlichen eine Folge von Übergewicht. Eine Behandlung mit Medikamenten ist dann wenig sinnvoll.

Hat eine Thyroxin-Behandlung Nebenwirkungen?

Die Nebenwirkungen einer Thyroxin-Behandlung bei Menschen mit latenter Schilddrüsenunterfunktion sind bisher nur schlecht untersucht. Thyroxin gilt aber grundsätzlich als sehr gut verträglich. Da das Hormon normalerweise vom Körper selbst gebildet wird, treten bei richtiger Dosierung keine Probleme auf. Wird es zu hoch dosiert, sind Nebenwirkungen aber nicht ausgeschlossen. Dazu gehören zum Beispiel Herzprobleme wie Vorhofflimmern oder Herzrasen.

Ist eine Behandlung in der Schwangerschaft sinnvoll?

Es gibt Hinweise, dass eine latente Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft das Risiko für Fehl- und Frühgeburten erhöht. Deshalb wird Schwangeren mitunter ein Test angeboten. Dieser wird aber nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt („individuelle Gesundheitsleistung“ oder ). Es ist auch unklar, ob eine L-Thyroxin-Behandlung der Schwangeren die Risiken für das Kind senken kann. Fachleute empfehlen deshalb keine Behandlung.

Behandeln oder nicht – was hilft bei der Entscheidung?

Menschen, die nur einen leicht erhöhten TSH-Wert und keine Beschwerden haben, brauchen in der Regel keine Behandlung. Ärztinnen und Ärzte empfehlen sie meist nur, wenn der TSH-Wert deutlich erhöht ist. Dabei spielt auch das Alter eine Rolle: Menschen über 75 Jahren wird erst ab einem TSH-Wert von 20 mU/l zur Einnahme von L-Thyroxin geraten. Bei jüngeren Personen gilt ein Wert von 10 mU/l als Grenze. Wer zwischen 10 und 20 mU/l liegt, kann den Wert regelmäßig kontrollieren lassen und eine Behandlung erst beginnen, falls der TSH-Wert 20 mU/l überschreitet.

Auch andere Faktoren können bei der Entscheidung für oder gegen eine Behandlung eine Rolle spielen – zum Beispiel, ob man bereits ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat.

Menschen mit erhöhten Schilddrüsen-Antikörpern (Hashimoto-Thyreoiditis) wird eine Behandlung manchmal bereits bei einem TSH-Wert über 6 mU/L empfohlen. Sie soll das Fortschreiten von einer latenten zu einer manifesten Unterfunktion verhindern. Ob eine Behandlung dies leisten kann, ist aber bisher kaum untersucht.

Sich für oder gegen eine Behandlung zu entscheiden, ist angesichts der noch offenen Fragen eine Sache der persönlichen Abwägung. Manche Menschen verzichten lieber darauf, zu nehmen, wenn es nicht unbedingt nötig ist – auch wenn eine L-Thyroxin-Behandlung bei richtiger Dosierung als problemlos gilt.

Wurde eine latente Schilddrüsenunterfunktion festgestellt und fühlt man sich erschöpft oder hat Verstopfung, kann man eine Behandlung ausprobieren. Wenn die Beschwerden dadurch nicht verschwinden, haben sie wahrscheinlich andere Ursachen.

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Aktualisiert am 24. April 2024

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