Hörtests bei Neugeborenen

Foto von Baby bei ärztlicher Untersuchung

Bei Neugeborenen wird routinemäßig das Hörvermögen getestet. Hörstörungen sollen so möglichst frühzeitig erkannt und behandelt werden. Dies kann helfen, die sprachliche Entwicklung von Kindern mit Hörstörungen zu verbessern.

Fast alle Babys hören gut: 997 von 1000 Kindern kommen mit einem normal entwickelten Gehör zur Welt. Bis zu 3 von 1000 Neugeborenen haben eine mittelgradige oder stärkere Hörstörung. Die meisten dieser Kinder können etwas schlechter hören, sind aber nicht gehörlos. Ohne eine frühzeitige Untersuchung würden Hörstörungen oft erst erkannt, wenn ein Kind zwischen 2 und 4 Jahre alt ist. Hörtests nach der Geburt können aber nicht alle Kinder mit Hörproblemen erfassen, da manche Störungen erst später auftreten.

Welche Folgen hat eine Hörstörung bei Neugeborenen?

Wenn ein Baby nicht richtig hört, werden die Hirnzellen, die für das Hören zuständig sind, nur wenig beansprucht. Es kann sein, dass sie sich dadurch nicht richtig entwickeln. Das Hörvermögen kann dann dauerhaft eingeschränkt sein, was sich später nur noch schwer ausgleichen lässt. Wenn ein Kind schlecht hört, fällt auch das Sprechenlernen schwerer. Dies kann wiederum seine Lernfähigkeit sowie seine persönliche und soziale Entwicklung beeinträchtigen.

Was ist das Neugeborenen-Hörscreening?

In allen Geburtskliniken werden wenige Tage nach der Geburt Hörtests angeboten. Dieses Neugeborenen-Hörscreening findet im Rahmen der U2 statt – also der U-Untersuchung zwischen dem 3. und 10. Lebenstag.

Bei Säuglingen ist es schwierig, zu beurteilen, ob ihr Gehör in Ordnung ist. Im Gegensatz zu älteren Kindern können sie noch nicht aktiv an Tests mitwirken, bei denen ihre Reaktion auf Töne und Geräusche geprüft wird. Deshalb werden beim Neugeborenen-Hörscreening Methoden eingesetzt, bei denen das Kind noch nicht einmal wach zu sein braucht. Zwei Verfahren eignen sich besonders gut zur Untersuchung von Neugeborenen:

  • die Messung der otoakustischen Emissionen
  • die Hirnstammaudiometrie

Diese Tests sind völlig schmerzfrei und können gemacht werden, während das Baby schläft.

Was sind otoakustische Emissionen und wie werden sie gemessen?

Die Messung der otoakustischen Emissionen funktioniert nach dem Prinzip eines Echos: Es wird eine kleine Sonde in den äußeren Gehörgang eingeführt, die wiederholt einen leisen Klickton abgibt. Die Schallwellen dieser Töne setzen sich ins Innenohr fort, bis zur mit ihren feinen Haarzellen. Normalerweise „antworten“ diese Zellen mit Schwingungen, deren Schallwellen vom Innenohr wieder zurück ins äußere Ohr übertragen werden. Dort misst ein an der Sonde befestigtes winziges Mikrofon, wie stark diese Schallwellen sind. Bleibt das Signal aus oder ist es sehr schwach, kann die Schallaufnahme in der gestört sein. Häufig liegt das daran, dass die Haarzellen nicht richtig funktionieren.

Ein auffälliges Messergebnis bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass das Baby schwerhörig ist. Möglicherweise ist die Signalaufnahme verzerrt, weil das Kind unruhig ist, Flüssigkeit im Ohr hat oder Hintergrundgeräusche stören. Die otoakustischen Emissionen sagen zudem nichts darüber aus, wie stark das Hörvermögen eingeschränkt ist. Der Test ist zwar relativ genau, aber es kann vorkommen, dass eine Hörstörung nicht erkannt wird. Ein solches Testergebnis nennt man auch „falsch negativ“.

Auch „falsch-positive“ Testergebnisse sind möglich. Dann wird bei Neugeborenen mit normaler Hörfähigkeit irrtümlich eine Schwerhörigkeit festgestellt. Mit Folgeuntersuchungen können Fehldiagnosen dieser Art meistens schnell berichtigt werden.

Die Messung der otoakustischen Emissionen ist nicht aufwendig und nach wenigen Minuten beendet. Sie findet in ruhiger Umgebung statt und möglichst dann, wenn das Baby völlig entspannt ist oder schläft. Wenn das Kind zum Beispiel Sauggeräusche macht, kann das die Messung behindern.

Wie funktioniert die Hirnstammaudiometrie?

Durch diese Messung lässt sich feststellen, ob die Schallsignale richtig ins Gehirn übertragen werden. Die Hirnstammaudiometrie ist eine Elektroenzephalografie (EEG) – ein Verfahren, das die elektrischen Aktivitäten des Gehirns misst. Vor der Messung werden am Scheitel und hinter den Ohren des Kindes zunächst kleine Plättchen (Elektroden) auf die Haut geklebt. Es bekommt dann eine Art Kopfhörer aufgesetzt, über den Klickgeräusche zum Innenohr gesendet werden. Über die Elektroden wird geprüft, ob die Schallwellen als elektrische Impulse aus dem Innenohr im Gehirn ankommen. Ist die Signalübertragung gestört, weist das auf ein eingeschränktes Hörvermögen hin.

Auch dieser Test erfordert eine ruhige Umgebung. Je aktiver und wacher das Kind ist, desto mehr elektrische Signale produziert sein Gehirn, und es wird schwierig, die Signale der Hörnerven von diesen zu unterscheiden. Deshalb ist es am besten, wenn das Baby während der Untersuchung schläft.

Zusammen mit der Messung der otoakustischen Emissionen hilft die Hirnstammaudiometrie, zu unterscheiden, ob die Hörstörung durch eine Schädigung im Innenohr oder des Hörnervs verursacht wird.

Welche Vorteile haben solche Tests direkt nach der Geburt?

Das Krankenhaus bietet die besten Voraussetzungen, um möglichst viele Kinder direkt nach der Geburt untersuchen zu können.

Zu einem so frühen Zeitpunkt wird zwar noch kein Baby behandelt. Erkennt man bei ihm aber schon so früh eine Hörstörung, kann dies helfen, sein Verhalten besser zu verstehen und nicht falsch zu interpretieren – etwa, wenn es auf Ansprache kaum reagiert.

Eine Hörstörung kann zudem erst später auftreten, zum Beispiel durch eine im Kleinkindalter. Deshalb bleibt es auch nach einem unauffälligen Testergebnis wichtig, darauf zu achten, ob ein Kind gut hört.

Wenn eine Hörstörung bekannt ist, wird sie so früh wie möglich behandelt. Studien zeigen, dass Kinder, bei denen bereits in einem Neugeborenen-Hörscreening eine Hörstörung festgestellt wurde, sich sprachlich besser entwickeln als Kinder, bei denen die Hörstörung erst spät diagnostiziert wurde. Sie können besser sprechen und Informationen besser verarbeiten. Die bisherigen Studien lassen offen, wie sich eine frühe langfristig auf das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität der Kinder auswirkt. Zu den Behandlungsmöglichkeiten gehören Hörgeräte, eine logopädische Behandlung und gezielte Schulungen. In bestimmten Fällen wird operativ eine elektronische Hörprothese (ein Cochlea-Implantat) eingesetzt.

Gut zu wissen:

Über die verschiedenen Behandlungen informiert der Text: „Was hilft schwerhörigen oder gehörlosen Kindern?“.

Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Endbericht zur Evaluation des Neugeborenen-Hörscreenings 2011/2012 im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses. 2017.

Brockow I, Söhl K, Hanauer M et al. Neugeborenen-Hörscreening in Deutschland – Ergebnisse der Evaluationen 2011/2012 und 2017/2018 [Newborn hearing screening in Germany – results of the 2011/2012 and 2017/2018 evaluations]. Bundesgesundheitsbl 2023; 66(11): 1259-1267.

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Früherkennungsuntersuchung von Hörstörungen bei Neugeborenen: Abschlussbericht; Auftrag S05-01. 2007.

Lenarz T, Boenninghaus HG. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Berlin: Springer; 2012.

World Health Organization (WHO). Deafness and hearing loss. 2025.

Yoshinaga-Itano C, Manchaiah V, Hunnicutt C. Outcomes of Universal Newborn Screening Programs: Systematic Review. J Clin Med 2021; 10(13): 2784.

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Aktualisiert am 15. Oktober 2025

Nächste geplante Aktualisierung: 2028

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Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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