Tipps für schwerhörige oder gehörlose Erwachsene

Foto von Großvater im Kreise der Familie

Wer das Gehör teilweise oder komplett verliert, steht vor vielen Herausforderungen. Was kann helfen, mit der Schwerhörigkeit und mit geeigneten Hörhilfen im Alltag zurechtzukommen?

Ein wichtiger erster Schritt, um mit einer Schwerhörigkeit besser umzugehen ist zu akzeptieren, dass das Gehör nachgelassen hat.

Als nächstes kann man sich ärztlich beraten lassen, welche Behandlung möglich ist – und sich informieren, wie es gelingt, zum Beispiel mit einem Hörgerät oder sogenannten Cochlea-Implantat zurechtzukommen.

Neben diesen Hörhilfen gibt es weitere Geräte und Möglichkeiten, die den Alltag erleichtern. Nicht zuletzt können Angehörige, Freunde und Kollegen unterstützen.

Woran kann ich erkennen, ob ich schlechter höre?

Gerade in höherem Alter schreitet eine Schwerhörigkeit allmählich voran. Deshalb fällt es zunächst oft gar nicht auf, dass man nicht mehr gut hört. Es gibt aber einige Hinweise, dass etwas mit dem Gehör nicht stimmt:

  • Viele stellen ihren Fernseher, ihr Radio oder das Telefon einfach immer etwas lauter ein als früher. Kommt Ihnen das bekannt vor oder haben Angehörige Sie schon einmal darauf angesprochen?
  • Wer immer schlechter hört, kann sich angewöhnen, selbst lauter zu sprechen. Hat Sie schon jemand darauf hingewiesen?
  • Schwerhörigkeit kann manchmal auch dazu führen, dass Ohrgeräusche auftreten oder bestimmte Geräusche auf einmal als unangenehm laut empfunden werden.
  • Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie manche Geräusche wie Grillenzirpen oder Vogelzwitschern schon lange nicht mehr gehört haben?
  • Haben Sie Schwierigkeiten, jemanden zu verstehen, wenn sie oder er flüstert oder von weiter weg mit Ihnen spricht?
  • Fällt es Ihnen schwer, Personen nur an der Stimme zu erkennen – etwa beim Telefonieren oder im Gespräch mit mehreren Leuten?
  • Hintergrundgeräusche wie Straßenlärm, Stimmengewirr oder Musik erschweren das Zuhören und Verstehen. Empfinden Sie Gespräche an belebten, lauten Orten wie Restaurants, in Bus oder Bahn oder bei Familienfeiern als besonders anstrengend?
  • Beteiligen Sie sich kaum noch aktiv an Gesprächen – und nicken oder lächeln Sie zum Beispiel nur, obwohl Sie die Gesprächsinhalte nicht verstanden haben?
  • Vermeiden Sie Gespräche oder Kontakte mit anderen Menschen, weil Sie sich ausgeschlossen fühlen oder es Ihnen unangenehm ist, dass Sie häufig nachfragen müssen?

Wenn man Schwierigkeiten mit dem Hören bemerkt, ist ärztlicher Rat sinnvoll – zum Beispiel erst einmal in der Hausarztpraxis. Weitere Untersuchungen bei einer Fachärztin oder einem Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde können dann zeigen, ob und – wenn ja – welche Hörstörung vorliegt.

Was kann das Leben mit Hörhilfen erleichtern?

Je nachdem, welcher Bereich im Ohr wie stark beeinträchtigt ist, kommt ein Hörgerät oder ein sogenanntes Cochlea-Implantat infrage. Aber nicht alle Menschen, die eine Hörhilfe benötigen, haben auch eine – oder setzen sie ein. Einige besitzen zwar ein oder zwei Hörgeräte, benutzen sie aber nicht. Das kann verschiedene Gründe haben: Manche möchten nicht, dass andere daran erkennen können, dass sie eine Hörbehinderung haben. Andere empfinden das Tragen des Geräts als unangenehm, oder sie fühlen sich damit unattraktiv. Manche haben sich von den Hörgeräten auch mehr versprochen oder erwartet, dass sie damit wieder genauso hören können wie früher.

Um mit Hörhilfen besser zurechtzukommen, können Informationen helfen – etwa von Selbsthilfegruppen, oder gut verständliche Beschreibungen der Geräte und Hinweise, wie man sie richtig einsetzt, reinigt oder Batterien auswechselt. Um bei nicht implantierten Geräten wie einem Hinter-dem-Ohr-Gerät das Einsetzen nicht zu vergessen und sich daran zu gewöhnen, kann man es in den Tagesablauf einbauen – und es zum Beispiel immer morgens beim Anziehen einsetzen.

Wer in einem oder beiden Ohren ein neues Hörgerät trägt, hört erst einmal alles lauter. Nebengeräusche, die man vorher gar nicht wahrgenommen hat, können dann stören. Manches kann auch ungewohnt klingen, etwa die eigene Stimme. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber in der Regel daran – vor allem, wenn man die Geräte konsequent trägt. Dieses „Durchhalten“ hilft auch vielen, die ihr Gerät zunächst ständig als unangenehmen Fremdkörper empfunden haben.

Was kann man außerdem tun?

Zusätzliche Geräte

Neben Hörhilfen können zusätzliche technische Geräte den Alltag erleichtern: Kopfhörer helfen, die Lautstärke des Fernsehers oder der Musikanlage so einzustellen, dass man selbst gut hören kann, ohne dass es für Familienangehörige oder Nachbarn unangenehm wird.

Manche akustischen Signale – zum Beispiel Telefon, Türklingel oder Rauchmelder – lassen sich mit einer Lichtquelle verbinden, die dann zum Beispiel blinkt. Spezielle Telefone oder Apps können die Stimme der Anruferin oder des Anrufers in geschriebenen Text übertragen.

Wenn man eine Hörhilfe trägt, kommen auch sogenannte Übertragungsanlagen infrage. Sie können akustische Informationen – etwa von TV- oder Radiogeräten – an die Hörhilfe senden. Sie lassen sich auch an Mikrofone koppeln, die zum Beispiel bei Besprechungen oder Konferenzen nahe bei den Vortragenden aufgestellt werden. Die Kosten solcher Übertragungsanlagen übernehmen die Krankenkassen, wenn mit Hörhilfen allein kein ausreichendes Hören möglich ist.

Gesprächsstrategien

Wenn man Gesprächen nicht mehr folgen kann – egal ob mit oder ohne Hörhilfe –, kann es leicht passieren, dass man Gesprächssituationen aus dem Weg geht oder sich nur wenig daran beteiligt. Um das zu vermeiden, kann es helfen, seine Hörprobleme offenzulegen und die anderen darum zu bitten, laut und deutlich zu sprechen. Um im Gespräch „am Ball zu bleiben“, ist es wichtig, nachzufragen, wenn man etwas nicht verstanden hat. Dabei hat jeder sein eigenes Maß: Manche Menschen empfinden es als unangenehm, sehr oft nachzufragen. Andere möchten ihren Gesprächspartnerinnen und -partnern ungern „vorschreiben“, wie sie zu sprechen haben.

Es kann auch helfen, sich für Gespräche Orte mit wenig Störgeräuschen zu suchen.

Lippenlesen und Gebärdensprache

Manche verlieren ihr Gehör ganz oder hören trotz Hörhilfe nur noch wenig. Es kann dann hilfreich sein, Lippenlesen und / oder die Gebärdensprache zu erlernen. Lippenlesen hilft, wenn man Personen verstehen möchte, die selbst keine Gebärdensprache beherrschen. Viele Medien bieten unter anderem Nachrichten zusätzlich in Gebärdensprache an. Auch bei einigen Veranstaltungen (Konferenzen, Kundgebungen etc.) werden Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetscher eingesetzt.

Wie können andere Menschen helfen?

Angehörige sind die wichtigsten Kommunikationspartner. Oft sind sie diejenigen, die eine Schwerhörigkeit bei jemandem bemerken und sie oder ihn schließlich überzeugen, sich ärztlich beraten zu lassen. Später können sie auch dabei unterstützen, Hörgeräte einzusetzen oder Nachsorgetermine wahrzunehmen.

Allgemein kann jeder etwas tun, damit schwerhörige oder gehörlose Personen sie besser verstehen. Hilfreich ist:

  • Klar und deutlich sprechen. Es ist nicht nötig, zu schreien. Dabei möglichst versuchen, in etwas tieferer Tonlage zu sprechen, Worte klar zu artikulieren und nicht mit vollem Mund zu sprechen.
  • Signalisieren, dass häufiges Rückfragen kein Problem ist. Bei Wiederholungen das zuvor Gesagte etwas anders formulieren. Das kann dem Gegenüber das Verständnis zusätzlich erleichtern.
  • Darauf achten, dass wenig Hintergrundgeräusche das Gespräch stören: Zum Beispiel Fernseher oder Radio stumm- oder ausschalten.
  • Dem Gesprächspartner das Gesicht zuwenden.
  • Darauf achten, dass das eigene Gesicht beim Reden nicht verdeckt oder verschattet ist.

Vor allem der letzte Tipp kann manchmal nur schwer umzusetzen sein – etwa durch spezielle berufliche Schutzausrüstungen, Gesichtsschleier oder die aktuellen Vorgaben zu Mund-Nasen-Bedeckungen während der Coronavirus-Pandemie. Es gibt aber Alternativen aus durchsichtigen Materialien.

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Über diese Seite

Erstellt am 10. Februar 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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