Meine Mutter war der Meinung, dass Regelschmerzen ganz normal wären

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Bettina, 46 Jahre

"Schon als Mädchen hatte ich während der Regelblutung sehr starke Unterleibsbeschwerden. Meine Mutter war immer der Meinung, dass das ganz normal wäre. Sie hatte selbst immer starke Beschwerden. Deswegen habe ich damals auch beim Arzt nie etwas über die Schmerzen erzählt."

Ich denke, dass ich schon in jungen Jahren an Endometriose erkrankt bin. Ich habe damals immer geglaubt, dass es an mir liegt und dass die Schmerzen normal sind. Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass es krankhaft sein könnte. Die Schmerzen waren anfangs nicht so schlimm. Ich habe immer sehr viel Sport gemacht und das hat mir auch geholfen. Die Beeinträchtigungen kamen erst später.

Ich habe viele Jahre die Pille eingenommen. Mir ging es damit sehr gut und ich hatte keine starken Beschwerden. Gegen Ende meines 20. Lebensjahres habe ich dann die Pille abgesetzt. Ein paar Monate später habe ich plötzlich ganz starke Bauchschmerzen bekommen. Das weiß ich noch genau: Es war völlig überraschend und so stark, dass ich dachte, ich könnte das überhaupt nicht aushalten und würde gleich ohnmächtig werden. Ich hatte danach immer an den ersten zwei, drei Tagen der Regelblutung und an den Tagen danach sehr starke brennende Schmerzen, aber noch nicht diese extrem schneidenden oder stechenden Schmerzen.

Für mich lag die Ursache in der Psyche

Ein Arzt hat mir einmal gesagt, dass die Ursache für solche Schmerzen häufig die Psyche ist. Besonders bei Frauen, die Karriere machen wollen und mit ihrer Weiblichkeit nicht richtig zurecht kämen. Bei mir ist diese Aussage hängengeblieben. Für mich lag die Ursache in der Psyche. Am Rande eines Gespräches hat er mich auf Zysten hingewiesen, die dann auch behandelt wurden. Da hätte ich eigentlich hellhörig werden müssen.

Ein paar Monate später bin ich wegen sehr starker Darmbeschwerden zu einem Internisten gegangen. Er hat sofort die richtige gestellt. Das war ein ganz hervorragender Arzt. Ich bin dann innerhalb einer Woche operiert worden. Es waren verschiedene Organe betroffen und es konnten nicht alle Endometrioseherde entfernt werden. Bei mir war der Darm an mehreren Stellen betroffen, der Dünn- und der Dickdarm. Auch die Blase, die Eierstöcke und Eileiter, die Gebärmutter und das . Bei der Operation wurde mir unter anderem ein Eileiter entfernt.

Damals war ich ja in einem Alter, in dem ich sehr gern Kinder bekommen hätte. Für mich stand der Kinderwunsch im Vordergrund. Der nach der OP verbliebene Eierstock funktionierte, aber der Eileiter war verklebt. Ich habe einige Zeit gebraucht, um das zu verarbeiten. Zumal immer mehr in meinem Freundeskreis Kinder bekommen haben und ich mir zunehmend "dumme Sprüche" anhören musste. Am Anfang bin ich damit nicht offen umgegangen. Und ich konnte das auch nicht. Mir stand dann nur die IVF (Anm. d. Red.: in vitro fertilisation)-Behandlung zur Verfügung. Ich habe es dann fünfmal probiert - über einen langen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren. Das war körperlich, aber auch psychisch für mich sehr belastend. Das Ganze hat mir aber die Möglichkeit gegeben, mich mit dem Thema zu beschäftigen, es zu verarbeiten und auch abzuschließen. Diese Versuche waren erfolglos und damit war das Thema für mich auch erledigt. Ich hatte diese vielen Jahre Zeit gehabt, um das zu verarbeiten.

Nach der ersten Operation, die ich gut überstanden habe, habe ich und Danazol jeweils über mehrere Monate bekommen. Diese Medikamente haben einige Nebenwirkungen bei mir hervorgerufen: Stimmungsschwankungen, Wechseljahrsbeschwerden und einen verstärkten Appetit. Ich konnte das aber sehr gut aushalten, weil ich dachte, dass mir die Medikamente helfen und ich dann wieder gesund sein würde. Das war natürlich nicht der Fall. Nach Absetzen der Medikamente habe ich innerhalb von ein paar Wochen wieder ganz starke Schmerzen bekommen.

Es traten auch Probleme mit meinem Darm auf. Ein oder zwei Herde saßen am Darm und haben zu einem Darmverschluss geführt, der operativ behandelt werden musste. Danach wurde mir klar, dass ich die Krankheit ernster nehmen muss. Bis dahin hatte ich gedacht, dass ich die Krankheit im Griff habe und dass da erstmal nichts weiter passiert.

Nach der Operation war ich ein Jahr krank geschrieben. Dieses Jahr habe ich für mich genutzt, um zu überlegen, was ich in meinem Leben möchte. Ich habe nochmal studiert und die berufliche Richtung verändert. Zusätzlich habe ich mich in der Selbsthilfe engagiert und meine Erfahrungen genutzt.

Ich habe dann angefangen, sehr viel über Endometriose zu lesen

Ich habe dann angefangen, sehr viel über Endometriose zu lesen und mich aktiv damit auseinanderzusetzen. Ich habe nicht mehr akzeptiert, dass es so ist. Ich wollte wieder eine gute Lebensqualität erreichen und ein normales Leben führen.

Grundsätzlich sind die Schmerzen mit den Jahren stärker geworden und haben immer länger angehalten. Das war eigentlich das größte Problem: dass es so lange gedauert hat. Aus zwei, drei Tagen wurde erst eine Woche, dann zwei, dann drei und am Ende hatte ich durchgehend Schmerzen.

Die Schmerzen waren so, als würde mir jemand ein Messer in den Bauch stechen, als würde mir ohne der Bauch aufgeschnitten werden. Sie waren für mich ohne Schmerztabletten einfach nicht zu bewältigen. Ich hatte auch Blähungen und Verstopfungen. Als die Schmerzen dann massiv auftraten, konnte ich mich nur schlecht konzentrieren. Sicher auch, weil ich sehr viele Schmerzmittel genommen habe.

Ich hatte immer noch einen Herd, den man auch bei der zweiten Operation nicht entfernen konnte. Eine dritte Operation stand im Raum. Ich habe lange überlegt, ob ich es mache oder nicht. Ich habe mich dann in Absprache mit den Ärzten dagegen entschieden und es medikamentös versucht, was auch gut funktioniert hat.

Mein Mann konnte mit meiner Erkrankung nicht sehr gut umgehen. Er hat mich immer nur leiden gesehen und war hilflos. Er hat mir aber in manchen Situationen sehr geholfen: mich angeschubst und motiviert, etwas zu unternehmen, rauszugehen, Freunde zu treffen, in den Urlaub zu fahren... Das war für mich sehr gut, denn es besteht die Gefahr, dass man sich zurückzieht und den Kontakt verliert. Ich glaube auch, dass ich das allein nicht so gut hinbekommen hätte. Mein Mann war mir da eine große Hilfe. Aber mit der Erkrankung selber hat er sich nicht intensiv auseinandergesetzt.

Im Nachhinein ist es ein Krankheitsverlauf, der sich über 20 Jahre erstreckt und wesentlicher Bestandteil meines Lebens geworden ist. Psychisch ging es mir davon etwa zwei Jahre sehr schlecht. Ich sehe das nicht nur negativ: Ich weiß, dass es auch mal schlechte Zeiten und Krisen gibt, aber ich bin in der Lage, das zu bewältigen.

Heute bin ich wieder voll berufstätig. Vor ein paar Jahren hätte ich nie gedacht, dass es mir jemals so gut gehen könnte. Ich bemühe mich um mich und meinen Körper: Ich mache Yoga, achte auf eine gesunde Ernährung und auf das Ausmaß meines Stresses.

Das ist im Moment meine Lösung: Ich bin weiterhin unter ärztlicher Kontrolle und ich achte noch mehr auf meinen Körper - den verbliebenen Herd bemerke und spüre ich auch. Ich warte jetzt auf die . Es geht mir gut, da ich mit den Medikamenten gut zurechtkomme und an sich wenig Nebenwirkungen habe. Ich komme damit sehr gut zurecht und bin zufrieden. Bei mir ist es ganz gut ausgegangen.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 24. Februar 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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