Gluten und Weizen: Sensitivität, Allergie oder Unverträglichkeit?

Foto von Blutabnahme

Manche Menschen bekommen Verdauungsprobleme, wenn sie Weizen oder Gluten zu sich nehmen. Wie lässt sich unterscheiden, ob eine Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), eine Weizenallergie oder eine Weizensensitivität dahintersteckt?

Wer auf Gluten aus der Nahrung reagiert, hat häufig Probleme mit der Verdauung. Viele Menschen, die regelmäßig Durchfall, Blähungen und andere Beschwerden haben, vermuten Gluten als Auslöser. Denn Gluten bekommt in den Medien und in Ratgebern viel Aufmerksamkeit.

Tatsächlich kann Gluten krank machen, etwa bei einer Zöliakie oder einer Weizenallergie. Manche Menschen sind aber auch empfindlich gegenüber anderen Bestandteilen des Weizens. Man unterscheidet:

  • die Weizensensitivität (auch Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität oder früher Glutensensitivität genannt), eine Empfindlichkeit gegenüber Bestandteilen des Weizens, die aber nicht zu krankhaften Veränderungen der Darmschleimhaut führt. Die Beschwerden lassen oft schon nach, wenn man nur sehr wenig Weizen zu sich nimmt,
  • die Weizenallergie, bei der man allergisch auf das Gluten im Weizen oder auf andere Weizenbestandteile reagiert, und
  • die Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), bei der Gluten nicht vertragen wird und eine der Darmschleimhaut auslöst. Zusätzlich richtet sich das gegen die Darmschleimhaut, was die noch verstärkt. Bei einer Zöliakie ist es wichtig, sich konsequent glutenfrei zu ernähren.

Wie äußert sich eine Weizensensitivität?

Wer empfindlich auf Getreide wie Weizen oder Roggen reagiert, hat oft Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung, krampfartige Bauchschmerzen und Blähungen. Aber auch Müdigkeit und Kopfschmerzen kommen vor. Diese treten innerhalb von Stunden oder Tagen nach dem Essen auf.

Bei einer Weizenempfindlichkeit ist es nicht nötig, komplett auf Gluten und Weizen zu verzichten – zumal dies auch Nebenwirkungen hat. So haben speziell hergestellte glutenfreie Produkte oft mehr Kalorien und weniger Ballaststoffe als glutenhaltige Alternativen. Wer das Getreide bereits weggelassen hat, kann den Verzehr langsam wieder steigern und so ermitteln, welche Menge noch verträglich ist.

Kurz- oder langfristige ernste Folgen durch eine unbehandelte Weizensensitivität sind nicht bekannt.

Wie wird eine Weizensensitivität festgestellt?

Wenn eine Weizensensitivität vermutet wird, ist es zunächst wichtig, eine Zöliakie oder auszuschließen (siehe unten). Die Ärztin oder der Arzt fragt dazu im Gespräch als erstes nach den Symptomen und Ernährungsgewohnheiten.

Ein Ernährungs-Tagebuch kann helfen, herauszufinden, wann und welche Beschwerden nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel auftreten.

Wie äußert sich eine Weizenallergie?

Eine auf Weizen macht sich bereits wenige Minuten bis Stunden nach dem Verzehr bemerkbar. Säuglinge und Kinder reagieren meist mit typischen Allergiesymptomen, zum Beispiel mit:

  • Juckreiz, Hautausschlag und Schwellungen
  • Heiserkeit, Atemnot und einer laufenden oder verstopften Nase
  • krampfartigen Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen
  • Herzrasen, Blutdruckabfall bis hin zum anaphylaktischen Schock ()
  • Kopfschmerzen

Bei Erwachsenen tritt eine Weizenallergie seltener auf. Bei ihnen kommt es nach einem bestimmten zusätzlichen Auslöser – etwa körperlicher Anstrengung – meist zu Reaktionen der Verdauungsorgane wie starken Schmerzen und Erbrechen.

Wie wird eine Weizenallergie festgestellt?

Zunächst erkundigt sich die Ärztin oder der Arzt in einem ausführlichen Gespräch nach den Beschwerden und den Ernährungsgewohnheiten. Ein Ernährungs- und Symptomtagebuch kann dabei helfen, möglichen Auslösern auf die Spur zu kommen. Haut- oder Bluttests können die unterstützen. Erhärtet sich der Verdacht auf eine Weizenallergie, kann ein sogenannter „Provokationstest“ mit Gluten sinnvoll sein. Dabei nimmt man ein Präparat mit Glutenextrakten ein.

Insgesamt ist eine Weizenallergie selten und Erwachsene entwickeln sie seltener als Kinder. Im Gegensatz zur Zöliakie kann eine Weizenallergie wieder verschwinden, wenn über Jahre strikt auf Weizen verzichtet wird. Vor allem früh erkrankte Kinder haben häufig etwa ab Schulbeginn oder dem Teenageralter keine Probleme mehr mit Weizen. Um herauszufinden, ob die fortbesteht, kann die Allergologin oder der Kinderarzt Haut-, Blut- und Provokationstests wiederholen.

Wie äußert sich eine Zöliakie?

Eine Zöliakie kann zu vielfältigen Verdauungsbeschwerden, Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Stimmungsveränderungen führen, manchmal auch zu Hautproblemen. Sie kann aber auch ohne spürbare Symptome bestehen. Hier gibt es ausführliche Informationen zu den möglichen Symptomen einer Zöliakie.

Wie wird eine Zöliakie bei Erwachsenen festgestellt?

Zunächst fragt die Ärztin oder der Arzt danach, welche Beschwerden auftreten und ob und wie viel Gluten über die Nahrung aufgenommen wird. Besteht der Verdacht auf eine Zöliakie, wird bei Erwachsenen das Blut auf (IgA-) gegen das körpereigene Gewebstransglutaminase (tTG oder TG2) untersucht. Sind diese Werte stark erhöht, ist das ein deutliches Anzeichen für eine Zöliakie.

Gleichzeitig wird geprüft, ob insgesamt ein Mangel an Immunglobulin-A-(IgA)-Antikörpern besteht. Denn dann ist der IgA-TG2-Antikörperwert niedrig, selbst wenn eine Zöliakie besteht, und weitere Blutuntersuchungen sind nötig. Für all diese Tests wird in der Arztpraxis Blut abgenommen und in einem Labor untersucht.

Damit die Untersuchung aussagekräftig ist, muss die Nahrung genug Gluten enthalten. Ausreichend sind dabei 10 g Gluten pro Tag, die in 1 bis 2 (besser 3 bis 4) glutenhaltigen Mahlzeiten aufgenommen werden. Das können Brot, Backwaren, Nudeln oder sonstige glutenhaltige Speisen sein. Dabei enthalten 100 g ungekochte Nudeln oder helle Brötchen etwa 9 g Gluten, zwei Scheiben Weizenbrot von zusammen 80 g etwa 5 g Gluten.

Wer sich bereits Gluten-reduziert ernährt hat, muss vor dem Test mindestens über drei Monate die Glutenmenge erhöhen. Entwickeln sich während dieser Zeit starke Beschwerden, kann früher mit Tests begonnen werden.

Wer mehr über die Blut- und Gentests sowie Immunprozesse im Darm bei Zöliakie wissen möchte, findet weitergehende Informationen unter www.zoeliakie-verstehen.de.

Wann kommt eine Magenspiegelung infrage?

Wenn der Bluttest auf eine Zöliakie hinweist, werden zusätzlich bei einer Magenspiegelung Gewebeproben aus dem oberen genommen. Besteht die Zöliakie schon längere Zeit, zeigt sich oft eine deutliche Schädigung der Darmschleimhaut sowie des direkt darunterliegenden Gewebes. Zur Beurteilung der Schäden werden die sogenannten Marsh-Kriterien herangezogen.

Die Marsh-Typen teilen 6 Gruppen ein, von 0 (normal) bis hin zu 3 A bis C (geringe bis stärkste Schäden an Krypten und Zotten). Eine deutliche Schädigung entspricht den Typen 3 A bis 3 C.

Bei einer ohne Schädigung der Darmschleimhaut (Marsh Typ 1) kann dennoch eine Zöliakie bestehen. Der Befund wird daher zusammen mit den Blutwerten und möglichen Beschwerden betrachtet. Leichte Schäden der Darmschleimhaut können auch andere Ursachen haben, etwa Nahrungsmittelallergien oder ein Ungleichgewicht bei den Darmbakterien.

Eine Zöliakie kann auch ohne Gewebeproben festgestellt werden, wenn

  • eine Magenspiegelung nicht möglich ist und
  • Bluttests deutlich für eine Zöliakie sprechen.

Wann ist ohne Symptome eine Untersuchung auf Zöliakie sinnvoll?

Für Kinder und Erwachsene mit einem erhöhten Risiko für Zöliakie werden Tests angeboten, auch wenn keine Symptome spürbar sind. Zu den Risikogruppen zählen Menschen mit

Bei einem erhöhten Risiko wird das Blut ebenfalls auf Autoantikörper gegen die körpereigene Gewebstransglutaminase (TG2) untersucht.

Auch eine Blutuntersuchung auf bestimmte genetische Merkmale für HLA-DQ2/DQ8 ist möglich, durch die eine Veranlagung für Zöliakie besteht: Liegen diese Gentypen nicht vor, kann eine Zöliakie ausgeschlossen werden. Der Test kann eine bestehende Zöliakie jedoch nicht nachweisen. Diese Untersuchung ist – anders als die Bluttests auf – auch während einer glutenfreien Ernährung und unabhängig von Beschwerden möglich.

Lässt sich die Zöliakie nicht durch Bluttests ausschließen, kann eine Gewebeprobe Klarheit bringen. Denn auch ohne Beschwerden kann es zu Schäden der Darmschleimhaut gekommen sein.

Wie wird eine Zöliakie bei Kindern festgestellt?

Bei Kindern wird eine Zöliakie ähnlich wie bei Erwachsenen festgestellt. Allerdings kann bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren auf eine Magenspiegelung verzichtet werden, wenn die Konzentration von TG2-Autoantikörpern zehnfach größer als der obere Grenzwert ist. Die Vor- und Nachteile einer Magenspiegelung können Eltern im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt für Kindergastroenterologie abwägen.

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Erstellt am 14. Dezember 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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