Schließlich war die OP nicht mehr zu vermeiden

Schwimmer am Beckenrand eines Schwimmbeckens

Eugen, 47 Jahre

„Da ich noch so jung war, habe ich die Gelenkersatz-OP so lange wie möglich aufgeschoben, um in meinem Leben insgesamt nicht zu häufig operiert zu werden. Denn ein künstliches Gelenk hält in der Regel nur eine begrenzte Zeit.“

Mit 29 Jahren bekam ich zum ersten Mal Beschwerden an der linken Hüfte: Immer, wenn ich mich hinunterbeugte, um mir Schuhe oder Strümpfe anzuziehen, zog es in der Hüfte, vor allem morgens. Es war aber nur ein kurzer Schmerz und ging wieder weg.

Etwas später hatte ich auch beim Autofahren Schmerzen, und zwar immer, wenn ich geschaltet und die Kupplung getreten habe. Auch beim Fußballspielen hatte ich beim Einlaufen Leistenschmerzen, die aber im Laufe des Trainings wieder verschwanden. Niemand dachte zu dem Zeitpunkt an eine Arthrose, weil ich noch so jung war.

Eine Knochenveränderung wurde übersehen

Irgendwann traten die Hüftschmerzen regelmäßig auf. Deswegen bin ich zu verschiedenen Orthopäden gegangen, um das abklären zu lassen. Ich machte mir schon Sorgen, da ich ja sehr sportlich war, und wollte wissen, woher die Schmerzen kamen.

Auf dem Röntgenbild war der Gelenkspalt im Hüftgelenk etwas kleiner, als er sein sollte, aber sonst war alles unauffällig. Mir wurde geraten, bei Bedarf Schmerzmittel zu nehmen – die Ärzte sahen aber ansonsten keinen Handlungsbedarf.

Damals wurde übersehen, dass ich eine angeborene Knochenveränderung am Oberschenkelhalsknochen hatte, eine sogenannte Pistolengriff-Deformität. Das ist ein kleiner Knochenbuckel, der bei bestimmten Bewegungen immer an das Hüftgelenk stößt und den Gelenkknorpel auf Dauer schädigt. Leider wurde dies erst viel später entdeckt.

Irgendwann gingen die Hüftschmerzen nicht mehr weg

Ich habe dann begonnen, regelmäßig bei Beschwerden hochdosiert Schmerzmittel zu nehmen. Die Medikamente gehörten zu den Antirheumatika () und haben gut geholfen. So konnte ich weiter Fußball spielen.

Nach einer größeren Verletzung, bei der ich mit dem linken Bein ruckartig den Ball geschossen hatte, gingen die Schmerzen in der linken Hüfte aber gar nicht mehr weg. Sie wurden sogar so stark, dass ich noch einmal zum Orthopäden ging. Im normalen Röntgenbild sah man weiterhin nichts, aber in der MRT-Untersuchung war eine des Hüftgelenks deutlich zu erkennen. Die Ursache dafür war den Ärzten und Ärztinnen aber immer noch nicht klar.

Alle Vorschläge zur Behandlung zielten darauf ab, die Schmerzen und die zu lindern: Ich bekam Spritzen mit einem lokalen Betäubungsmittel in das Gewebe um das Hüftgelenk und nahm wieder die gleichen entzündungshemmenden Schmerzmittel.

Mir wurden auch Kortison-Spritzen ins Gelenk vorgeschlagen. Ich entschied mich damals aber dagegen. Auch eine unterstützende mit bestimmten Übungen für zu Hause half für kurze Zeit – aber nicht auf Dauer.

Eine Spezialröntgenaufnahme zeigte den Grund für die Hüftschmerzen

Erst Spezialisten in einer Uniklinik fanden die Ursache mithilfe einer speziellen Röntgenaufnahme. Wegen des angeborenen Knochenbuckels litt ich an einer eingeklemmten oder blockierten Hüfte – ein „femoroacetabuläres Impingement“. Das heißt, der Abstand zwischen Hüftgelenk und Oberschenkelknochen war zu eng. Deswegen stießen bei bestimmten Bewegungen die zwei Knochen aufeinander und verletzten den Knorpel des Hüftgelenks.

Bei mir kamen zwei Sachen zusammen: eine leichte Fehlbildung des Hüftgelenks mit einem ungünstigen Winkel zwischen Oberschenkel- und Hüftknochen und der Knochenbuckel am Oberschenkelknochen. Bei einer Gelenkspiegelung wurde das bestätigt – der Knochenbuckel sollte auch gleich entfernt werden. Leider haben die Operateure ihn doch nicht operiert, da dies ihrer Meinung nach nur in einer offenen großen OP möglich gewesen wäre.

Ich war deswegen sehr enttäuscht und habe ein weiteres halbes Jahr gewartet, bis ich zu anderen Ärzten ging, die den Knochenbuckel sehr wohl bei einer Gelenkspiegelung entfernen konnten. Leider fand die OP dadurch erst sechs Jahre nach den ersten Beschwerden statt. Dieses lange Hinauszögern hat dazu geführt, dass der Knorpel meines Hüftgelenks schon stark beschädigt und an einigen Stellen gar nicht mehr vorhanden war.

Ich habe die Gelenkersatz-OP so lange wie möglich hinausgezögert

Ab dem Zeitpunkt wusste ich, dass ich über kurz oder lang ein künstliches Hüftgelenk brauchen werde. Da ich aber so jung war, habe ich die Gelenkersatz-OP so lange wie möglich hinausgezögert, um in meinem Leben insgesamt nicht zu häufig operiert zu werden. Denn man weiß, dass ein künstliches Gelenk in der Regel nur eine begrenzte Zeit hält und dann ersetzt werden muss. Ich würde in meinem Leben also auf jeden Fall zwei künstliche Hüftgelenke brauchen, die dritte OP wollte ich aber vermeiden.

In diesen Jahren habe ich verschiedene alternative Behandlungen ausprobiert, weil mir Ärzte und Physiotherapeuten dies vorgeschlagen hatten. Das waren unter anderem , Blutegel und verschiedene pflanzliche Mittel. Ich habe eine Menge Geld dafür ausgegeben, leider hat nichts davon geholfen. Im Nachhinein war ich sehr enttäuscht, dass mir diese Behandlungen empfohlen wurden, obwohl gar nicht nachgewiesen ist, dass sie helfen.

Schließlich war die Operation nicht mehr zu vermeiden: Ich konnte nur noch 200 Meter ohne Schmerzen gehen und hatte starke Rückenschmerzen, da ich immer gebückt ging und ein Bein nachzog. Außerdem waren die Hüftschmerzen auch nachts sehr stark, wenn ich im Schlaf unbewusst das Bein streckte. Deswegen hatte ich nachts ein spezielles Kissen zum Polstern und zur Entlastung der linken Hüfte. Dieses Kissen musste ich überallhin mitnehmen, auch in den Urlaub. Sonst hätte ich nicht schlafen können.

Ein Orthopäde wollte mir in der Zeit ein sehr starkes Schmerzmittel verschreiben, das auch bei Rheuma und Tumorschmerzen eingesetzt wird. Das war mir aber zu heftig und ich habe darauf verzichtet.

Andere Betroffene haben mir Mut gemacht und zur OP geraten

Viele Betroffene, die selbst einen Eingriff hinter sich hatten, haben mir zur OP geraten und berichtet, dass sie es nicht bereuen. Sie hätten profitiert, seien beweglicher und könnten Knie und Hüfte wieder stark beugen und lange gehen.

Die Entscheidung zur Operation war ein langer Prozess – ich habe mich eingelesen, um über das Thema Bescheid zu wissen. Aber ich habe auch den Ärzten vertraut. Ich war ja nicht der Experte, das wollte ich gar nicht allein entscheiden. Allerdings habe ich gewartet, bis ich die richtige Klinik und den richtigen Orthopäden gefunden hatte, der alle meine Fragen beantworten konnte. Die Entscheidung, welche Art von Gelenkprothese für mich geeignet ist, habe ich dann bewusst den Ärzten überlassen.

Das erste künstliche Hüftgelenk bekam ich vor elf Jahren

Schließlich wurde vor elf Jahren die linke Hüfte operiert und ich bekam ein künstliches Hüftgelenk. Die Zeit nach der OP war erst einmal hart: Ich hatte starke Schmerzen, vor allem in den ersten fünf Tagen und beim Ziehen der Drainage. Und konnte mir überhaupt nicht vorstellen, jemals wieder schmerzfrei zu sein.

Die Prothese habe ich gut vertragen und nie gespürt. Es hat aber ein gutes halbes Jahr gedauert, bis ich ohne Schmerzen lange sitzen konnte. Und noch ein paar Monate länger, bis ich beim Sitzen kein Polster unter der Hüfte brauchte.

Nur die Muskeln brauchten lange, um sich zu erholen. Da sie bei der OP durchtrennt werden müssen, sind sie zunächst schwach und müssen richtig trainiert werden. Ich hatte in der ersten Zeit oft Muskelkrämpfe bei Belastung.

Nach der OP war ich beweglicher

Durch die Prothese hat sich einiges verbessert: Ich habe nun im Alltag keine Schmerzen mehr und bin etwas beweglicher. Auch die Körperpflege, vor allem an den Füßen, geht viel leichter – ich kann mich eincremen und Strümpfe wieder ohne Hilfsgerät anziehen. Und ich kann nachts wieder schlafen und eineinhalb Stunden lang am Stück ohne Schmerzen gehen. Das ist eine ganz große Verbesserung meiner Lebensqualität.

Allerdings kann ich den Oberkörper nicht so weit herunterbeugen wie bei einer gesunden Hüfte. Das ist die Krux: Vorher konnte ich mein Bein in der Hüfte nicht so stark beugen wegen der Schmerzen, jetzt kann ich es nicht wegen der Prothese. Und ich kann auch nicht lange in gebeugter Haltung bleiben: Als ich Nagelpilz hatte, konnte ich die Fußnägel nicht selbst mit Salbe behandeln und feilen und musste auf eigene Kosten zur Fußpflege gehen. Aber insgesamt geht es mir auf jeden Fall viel besser als vor der OP.

Meine Übungen sind zur Routine geworden

Mittlerweile gehe ich einmal in der Woche schwimmen. Und ich versuche, möglichst jeden Abend meine Krankengymnastik-Übungen zu machen, um beweglich zu bleiben. Mir reichen 20 bis 30 Minuten, aber dafür sollte es häufig sein: mindestens fünfmal in der Woche.

Was mir hilft, dranzubleiben: Ich habe das Training als Routine in meinen Tagesablauf integriert und mache die Übungen immer zur selben Tageszeit. Und ich darf gar nicht darüber nachdenken – einfach machen, auch wenn ich keine Lust habe. Ich stelle mir immer vor, was ich davon habe: Ich bleibe beweglich und bekomme keine Rückenschmerzen. Das motiviert mich sehr.

Für mich war es ein großer Verlust, dass ich nicht mehr meine Herzenssportarten Fußball und Tischtennis spielen konnte. Das war schon bitter. Aber ich versuche, trotzdem dankbar zu sein. Es gibt Menschen, die durch andere Erkrankungen mehr belastet sind.

Die nicht operierte Hüfte so lange wie möglich erhalten

Die rechte Hüfte ist noch meine eigene. Aber auch auf dieser Seite habe ich schon Schmerzen, diese Hüfte wird ebenfalls irgendwann dran sein. Im Röntgenbild ist der Gelenkspalt zwar kleiner, aber man sieht noch keine auffällige Arthrose.

Deswegen möchte ich das Gelenk so gut wie möglich schonen: Wenn ich Schmerzen habe, lege ich sofort eine Bewegungspause ein und nehme ein entzündungs- und schmerzhemmendes Mittel.

Viele haben nicht verstanden, warum ich so jung eine kaputte Hüfte hatte

Meine Familie konnte schon die nicht richtig verstehen. Meine Eltern fragten immer: „Du machst doch so viel Sport, warum hast du eine kaputte Hüfte?“ Aber genau deswegen ist der Knorpel ja beschädigt worden, weil ich von Geburt an diesen Knochenvorsprung hatte, der das Gelenk blockierte. Sie haben immer an den typischen altersbedingten Verschleiß gedacht und nicht daran, dass es eine sportbedingte Arthrose war. Das war immer etwas schwierig zu erklären.

Meinen Eltern war auch nicht klar, warum ich mit der Operation so lange gewartet habe. Sie haben das Prinzip der begrenzten Haltbarkeit einer Prothese nicht verstanden – also, dass ich irgendwann eine zweite und bei meinem jungen Alter vielleicht sogar eine dritte Operation durchmachen muss. Sie kannten ja nur Gleichaltrige, die mit 70 Jahren eine neue Hüfte bekommen. Und die sind eventuell gestorben, bevor sie ein zweites künstliches Gelenk gebraucht hätten.

Bisher war kein zweites Hüftgelenk nötig

Bisher hält die erste Prothese, es gab keine Komplikationen. Im Gewebe um die Prothese herum hat sich zwar etwas Kalk gebildet, aber das hat nichts mit der Prothese an sich zu tun. Die Röntgen-Kontrollen waren alle gut: nach 1, 2 und 5 Jahren, die 10 Jahre stehen noch aus.

Ich passe gut auf und bin sehr vorsichtig, damit die Prothese lange hält. Bei Nässe oder Glatteis gehe ich sehr langsam und bewusst, damit ich nicht stürze. Da müssen meine Frau und die Kinder immer warten.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Über diese Seite

Erstellt am 09. August 2023

Nächste geplante Aktualisierung: 2026

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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