Auslöser für die Migräne kann ich bei mir kaum ausmachen

Foto von Mann mit Migräne auf dem Sofa

Stephan, 43 Jahre

„Die Migräneanfälle waren bei mir in den letzten Jahren unterschiedlich häufig. Eine Zeit lang hatte ich sie exakt einmal pro Woche. Da konnte ich die Uhr danach stellen. Dann verstärkten sich die Beschwerden etwas, die Pausen zwischen den einzelnen Attacken wurden länger und es pendelte sich bei so alle 14 Tage ein.“

Ich bin 43 Jahre alt und die ersten Migränebeschwerden hatte ich vor etwa 20 Jahren. Das war während meines Studiums. Die Symptome waren allerdings für eine Migräne relativ untypisch: Ich hatte zum Beispiel Schüttelfrost und das oft anfallartig so einmal pro Woche.

Später ist daraus im gleichen Rhythmus eine Migräne geworden mit den eher typischen Beschwerden: halbseitige Kopfschmerzen, Übelkeit, Lichtempfindlichkeit, Empfindlichkeit gegen bestimmte Gerüche, Geräusche und Berührungen. Dagegen konnte ich damals weder mit Medikamenten noch mit Hausmittelchen etwas ausrichten.

Was eine Migräne ist, wusste ich damals nicht

Daraufhin bin ich zu einem Neurologen gegangen. Als ich ihm meine Beschwerden geschildert habe, meinte er nur, dass ich ihm eben die klassische Lehrbuch-Symptomatik einer Migräne geschildert hätte.

Mit dem Begriff „Migräne“ wusste ich damals nichts anzufangen. Das hat mir der Arzt dann erstmal erklärt. Zu diesem Zeitpunkt waren die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Damals gab es nur die Möglichkeit, Schmerzmittel und Medikamente gegen die Übelkeit einzunehmen, etwas am eigenen Verhalten zu ändern und zu versuchen, sich viel zu entspannen.

Ich habe verschiedene Behandlungen ausprobiert

Der Arzt, bei dem ich in Behandlung war, war Experte im autogenen Training und das habe ich dann auch bei ihm gelernt. Diese Fähigkeiten habe ich heute noch, das ist wie mit dem Fahrradfahren, das verlerne ich nicht mehr. Das tut mir sehr gut und hilft mir, mich zu entspannen. Aber leider hat das autogene Training weder die Migränehäufigkeit noch die Anfallsschwere positiv beeinflusst. Ich habe es auch mit versucht, allerdings ohne Erfolg.

Das bedeutete für mich, dass ich mich einige Jahre durchquälen musste. Wenn die Migräne kam, dann musste ich mich in ein dunkles Zimmer begeben, möglichst kühl, möglichst ruhig.

Der durchbrechende Erfolg kam für mich erst mit der Erfindung der Triptane. Die nehme ich auch heute noch. Das sieht dann folgendermaßen aus: Wenn ich Migräne bekomme, dann fast immer in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden, so gegen vier Uhr. Ich werde dann wach und merke, dass die Migräne beginnt. Dann nehme ich so eine Triptan-Tablette und die Beschwerden sind dann meistens relativ schnell wieder weg. Ich kann dann ganz normal zur Arbeit gehen und bin topfit.

Manchmal starte ich den Versuch, aufzustehen und mich zu bewegen oder mich heiß zu duschen in der Hoffnung, dass ich die Migräne unterdrücken kann. Aber wenn ich das gemacht habe und die Kopfschmerzen sind immer noch da, dann nehme ich die Medikamente und hoffe, dass sie wirken und das tun sie meistens.

Es gibt ja eine ganze Palette von Triptanen, da hilft es eigentlich nur, einen guten Arzt zu finden und die einzelnen auszuprobieren. Ich habe etwa fünf Präparate ausprobiert und bin jetzt schon länger bei einem, mit dem es funktioniert. Manchmal ist die Wirkung auch nicht so gut, aber das sind dann Ausnahmefälle.

Manchmal dauert die Migräne auch drei Tage

Als einzige Nebenwirkung der Medikamente spüre ich, dass ich am Abend früher müde werde. Das ist aber erst mal kein Problem für mich. Schwierig wird es, wenn die Migräne mal nicht verschwindet und am nächsten Tag wiederkommt, also wenn es eine mehrtägige Migräne ist. Dann nehme ich am nächsten Tag wieder eine Tablette und die Müdigkeit wird immer stärker. Manchmal dauert die Migräne leider auch drei Tage und dann kann die Müdigkeit so stark sein, dass ich schon am Nachmittag von der Arbeit nach Hause gehen muss.

Das ist, als hätte ich ein Schlafmittel bekommen, da kann ich mich nicht wehren. Mir hilft da nur hinlegen und schlafen. Aber gegenüber den Migränebeschwerden ist das alles zu vernachlässigen und ich nehme die Müdigkeit gern in Kauf. Damit kann ich gut leben.

Die Migräneanfälle waren bei mir in den letzten Jahren unterschiedlich häufig. Eine Zeit lang hatte ich sie exakt einmal pro Woche. Da konnte ich die Uhr danach stellen. Dann verstärkten sich die Beschwerden etwas, die Pausen zwischen den einzelnen Attacken wurden länger und es pendelte sich bei so alle 14 Tage ein. Meistens gehe ich arbeiten und normalerweise bekommt meine Umwelt gar nicht mit, dass ich eine Migräneattacke habe.

Ich habe keine klassische Migräne mit einer Aura, bei der man bestimmte Vorboten wahrnehmen kann. Aber meine Stimmung ändert sich ein wenig. Am Vorabend der Migräne werde ich brummeliger und unzufriedener. Das nehme ich oft gar nicht selber wahr, aber meine Frau bemerkt es. Sie hat das im Laufe der Jahre oft genug erlebt. Damit habe ich schon ein Warnsignal.

Heftige Träume sind typische Vorboten

Auslöser für die Migräne kann ich bei mir kaum ausmachen. Es gibt Phasen, da sehe ich eine Verbindung mit dem Wetter oder manchmal hatte ich auch bestimmte Genussmittel im Verdacht, was sich aber bisher nicht bestätigt hat. Allerdings lösen normale Kopfschmerzen, beispielsweise von einer Erkältung oder einem Kater nach zu viel Alkohol, häufig eine Migräne bei mir aus.

Was mir aufgefallen ist: Ich habe unmittelbar vor einem Anfall heftige Träume. Das ist für mich auch ein typischer Hinweis, dass die Migräne kommt. Wenn ich spüre, dass die Migräne kommt, dann nehme ich eine Tablette und bleibe noch eine halbe Stunde im Bett liegen und dann war es das auch schon.

Die Attacken kann ich nicht verhindern: Ich habe versucht, vorbeugend Medikamente zu nehmen und habe das Register der Schulmedizin durchprobiert. Eigentlich ausnahmslos ohne jeglichen Effekt – bis auf die entsprechenden Nebenwirkungen der Medikamente. Das Beste, was ich für mich machen kann, ist, mich draußen zu bewegen und zu laufen. Ich habe das Gefühl, dass das die Häufigkeit der Migräne etwas reduziert. Wobei man das ja nie so eindeutig sagen kann.

Migräne ist etwas anderes als gewöhnlicher Kopfschmerz

Dass es Migräne ist, merke ich daran, dass es so ein eigenartiges Gefühl ist. Das ist schwer zu beschreiben. Es ist nicht unbedingt nur der Kopfschmerz, es ist auch dieses Unwohlsein im Bauch. Das fühlt sich anders an, als wenn ich mir den Magen verdorben habe. Ich merke schon am Körpergefühl, dass es etwas anderes ist – also kein Kopfschmerz beispielsweise von einer Erkältung her oder von einer Magenverstimmung, sondern tatsächlich Migräne. Das kann ich ganz deutlich unterscheiden. Auch die Sinneswahrnehmungen sind etwas gestört. Das ist sehr schwer zu beschreiben, aber im Laufe der Jahre hat man die Zeichen kennengelernt. Es ist für mich relativ schnell klar: Das ist eine Migräne.

Ich habe jetzt schon seit 20 Jahren Migräneattacken. Anfangs hatte ich vor jedem sozialen Anlass Sorge, dass ich dort einen Migräneanfall bekomme könnte. Meine Sorge war, nicht daheim zu sein, wenn ich die Migräne bekomme. Die Migräne in gewohnter Umgebung aushalten zu müssen, ist schon schwer genug, aber irgendwo anders zu sein, macht es noch viel schlimmer.

Das hat mich schon eingeschränkt. Heute ist meine einzige Sorge, nicht genügend Tabletten bei mir zu haben. Ich verreise nie ohne die Medikamente. Dadurch, dass sie mir so gut helfen, sind meine Einschränkungen durch die Migräne im alltäglichen Leben eher gering.

Bei uns liegt Migräne in der Familie

Meine Mutter hatte bis zu meiner Geburt auch Migräne, danach nicht mehr. Auch meine ältere Schwester hatte Migräneanfälle, nicht so oft wie ich, aber ich denke genauso heftig. Meine Mutter fragt sehr oft, wie es mir mit der Migräne geht. Es ist für sie nicht leicht zu wissen, dass ich auch unter der Migräne leide. Sie hat es ja selbst erlebt und kann mitfühlen.

Ich bin in einer Selbsthilfegruppe aktiv und finde das sehr hilfreich. Es tut mir einfach gut, mit Menschen zusammen zu sein, die ähnliche Probleme haben, sich mit ihnen auszutauschen und sich bei Bedarf auch mal zu trösten.

Ich finde es wichtig, möglichst schnell die zu bekommen und dass der Arzt gemeinsam mit dem Patienten versucht, das richtige Medikament zu finden, möglichst ohne nennenswerte Nebenwirkungen. Ich finde es auch wichtig, sich nicht dem Leiden hinzugeben und zu meinen, dass man die Beschwerden aushalten muss.

Dafür, finde ich, ist das Leben zu kurz. Wenn die allerersten Anzeichen einer Migräneattacke zu spüren sind, dann sollten nach meiner Meinung auch die Medikamente genommen werden, ohne zu warten und zu zögern. Ich versuche die Migräne zu akzeptieren und das Beste für mich daraus zu machen.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 13. Juli 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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