Risdiplam (Evrysdi) bei spinaler Muskelatrophie

Einleitung

Risdiplam (Handelsname Evrysdi) ist seit März 2021 für folgende Personengruppen mit 5q-assoziierter spinaler Muskelatrophie (SMA) zugelassen:

  • Babys ab 2 Monate und Erwachsene, bei denen bereits Beschwerden einer spinalen Muskelatrophie auftreten.
  • Babys ab 2 Monate, bei denen eine spinale Muskelatrophie durch eine Untersuchung zur Früherkennung nachgewiesen wurde, aber noch keine Symptome aufgetreten sind.

Seit August 2023 kann es auch direkt ab der Geburt eingesetzt werden.

Bei der spinalen Muskelatrophie sterben nach und nach bestimmte Nervenzellen im Rückenmark ab, die für die Bewegung der Muskeln zuständig sind. Ohne die Reize dieser Nervenzellen bilden sich die Muskeln zurück, die Folge sind Muskelschwund und Lähmungen. Eine SMA kann den ganzen Körper betreffen: Zuerst sind oft Schulter-, Hüft- und Rückenmuskeln, bei Fortschreiten die Sprech-, Kau- und Schluckfunktionen und später auch die Atmung betroffen.

Kinder, bei denen die SMA in den ersten Lebenswochen beginnt, lernen nicht allein zu sitzen oder zu krabbeln und müssen später oft beatmet werden. Unbehandelt sterben diese Kinder im Alter von ein bis zwei Jahren. Diese Form (infantile Form, Typ 1) macht ungefähr die Hälfte aller erkrankten Kinder aus: In Deutschland sind das bis zu 10 von 100.000 Neugeborenen. Andere vererbte Formen (Typ 2 und 3) der spinalen Muskelatrophie beginnen nach dem 6. Lebensmonat. Je später die SMA Beschwerden macht, umso höher ist die Lebenserwartung.

Ursache der 5q-assoziierten spinalen Muskelatrophie ist eine Veränderung der Erbinformation () auf dem sogenannten Survival-Motor-Neuron (SMN)-Gen. Es befindet sich auf dem 5. Chromosom – und wird deshalb mit „5q“ abgekürzt. Bei der Erkrankung funktioniert das SMN1-Gen nicht und das von den Nervenzellen benötigte Eiweiß wird nicht produziert. Jeder Mensch hat ein weiteres SMN-Gen, das SMN2-Gen. Das SMN2-Gen ersetzt das SMN1-Gen jedoch nicht komplett. Dies hat zur Folge, dass nur eine unzureichende Menge Eiweiß gebildet wird.

Der Wirkstoff Risdiplam erhöht die Produktivität des SMN2-Gens und soll so die Erkrankung abbremsen und aufhalten.

Anwendung

Risdiplam gibt es als Pulver zur Herstellung einer Lösung zum Einnehmen. Es wird jeden Tag zur etwa gleichen Uhrzeit nach einer Mahlzeit eingenommen. Die Dosierung richtet sich nach dem Alter und Körpergewicht. Bei Säuglingen, die gestillt werden, sollte es nach dem Stillen angewendet werden. Die Lösung sollte spätestens 5 Minuten nach der Herstellung verwendet werden.

Andere Behandlungen

Die Behandlung der SMA wird von einer Ärztin oder einem Arzt angepasst. Je nach Alter, Symptomen, SMA-Typ und Kopien des SMA-Gens kommt Nusinersen, Onasemnogen-Abeparvovec oder eine unterstützende Behandlung, „“ () genannt, infrage. Die orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen und soll Beschwerden wie Schmerzen lindern und die Lebensqualität verbessern. Bei einer SMA können unter anderem oder eine Beatmung der Patientinnen und Patienten eingesetzt werden.

Bewertung

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2023 geprüft, ob Risdiplam für Babys in einem Alter bis zu zwei Monaten mit spinaler Muskelatrophie im Vergleich zu Nusinersen, Onasemnogen-Abeparvovec oder einer unterstützenden Behandlung Vor- oder Nachteile hat. Hierzu legte der Hersteller keine geeigneten Daten vor.

2021 wurde geprüft, ob Risdiplam für Personen mit SMA im Vergleich zu Nusinersen oder einer unterstützenden Behandlung Vor- oder Nachteile hat. Der Hersteller legte hierzu für Patientinnen und Patienten mit infantiler Form (Typ 1) keine direkt vergleichende Studie vor. Das IQWiG wertete aus diesem Grund die Ergebnisse zweier unterschiedlicher Studien aus: In einer Studie erhielten 58 Babys Risdiplam. In einer zweiten Studie erhielten 81 Babys Nusinersen. Resultate eines solchen indirekten Vergleichs sind aber grundsätzlich wenig zuverlässig und lassen keine sicheren Aussagen über Vor- und Nachteile von Risdiplam im Vergleich mit Nusinersen zu.

Die Kinder waren bei Studienbeginn jünger als 7 Monate und hatten erste Symptome zwischen ihrer 2. Lebenswoche und dem 6. Lebensmonat gezeigt. Alle hatten die infantile Form (Typ 1) der SMA. Unklar blieb, inwiefern die Babys schon vor Beginn der Behandlung beatmet wurden und welche Atembeschwerden vorlagen. Die Babys wurden unter beiden Behandlungen etwa 2 Jahre beobachtet. Alle Babys erhielten zusätzlich eine unterstützende Behandlung.

Welche Vor- oder Nachteile hat Risdiplam?

Insgesamt lassen sich aus dem Vergleich zwischen Risdiplam und Nusinersen keine verlässlichen Unterschiede ableiten. Es deutet sich nur ein Vorteil für Risdiplam an, da eine dauerhafte Beatmung seltener notwendig zu sein scheint. Weil die Ergebnisse aus verschiedenen Studien stammen, können sie allerdings auch allein dadurch zustande kommen, dass die Krankheit der Kinder in den beiden Studien unterschiedlich weit fortgeschritten war.

Bei Lebenserwartung, Krankheitsbeschwerden oder Nebenwirkungen sind keine Unterschiede zu erkennen. Auch zu Vor- und Nachteilen bei anderen Formen der SMA sind keine Aussagen möglich.

Weitere Informationen

Dieser Text fasst die wichtigsten Ergebnisse der Gutachten zusammen, die das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses () im Rahmen der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erstellt hat. Der beschließt auf Basis der Gutachten und eingegangener Stellungnahmen über den Zusatznutzen von Risdiplam (Evrysdi) bei Patientinnen und Patienten ab zwei Monaten und Babys bis 2 Monate.

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Risdiplam (spinale Muskelatrophie) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V. Dossierbewertung; Auftrag A21-50. 29.07.2021. (IQWiG-Berichte; Band 1166).

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Risdiplam (spinale Muskelatrophie) – Addendum zum Auftrag A21-50; Auftrag A21-118. 01.10.2021. (IQWiG-Berichte; Band 1213).

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Risdiplam (spinale Muskelatrophie) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V. Dossierbewertung; Auftrag A23-93. 12.12.2023. (IQWiG-Berichte; Band 1690).

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

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Über diese Seite

Aktualisiert am 15. Dezember 2023

Nächste geplante Aktualisierung: 2026

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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