Die Wahl der Heimdialyse war damals genau richtig für mich

Foto von Mann mit Bart

Bernd, 56 Jahre

„Ich bin schon seit etwa 30 Jahren Dialysepatient. Im Alter von 25 Jahren wurde ich zum ersten Mal dialysiert.“

Ich bin schon seit etwa 30 Jahren Dialysepatient. Im Alter von 25 Jahren wurde ich zum ersten Mal dialysiert. Bei der Musterung zur Bundeswehr hat man festgestellt, dass mit meinem Urin etwas nicht stimmt. Deshalb wurde ich zu einem Facharzt überwiesen. Er hat eine Nierenfunktionsstörung diagnostiziert und ich wurde zur weiteren Abklärung in ein Krankenhaus eingewiesen. Dort erfuhr ich, dass meine Nieren nur noch zu 25 % funktionsfähig sind. Die positive Botschaft war: Man konnte sie in diesem Zustand durch eine entsprechende Diät und regelmäßige Kontrolluntersuchungen stabilisieren.

Ich bin dann regelmäßig in die Klinik gefahren, um meinen Urin untersuchen zu lassen. Irgendwann habe ich das aber schlichtweg vergessen und bin nicht mehr zu den Untersuchungen gegangen. Ich hatte ja keine Beschwerden und war mit meinem Studium beschäftigt. Da war ich, zugegeben, schlampig.

Ich hatte meine Erkrankung völlig verdrängt

Etwa sechs Jahre später begann ich mich schlecht zu fühlen. Ich war zunehmend erschöpft. Zudem bekam ich merkwürdige Hautausschläge, war kurzatmig und auch kognitiv eingeschränkt. Das für mich heute Unbegreifliche ist: Obwohl ich wusste, dass ich nierenkrank war und sich der Zustand nur etwas hinauszögern ließ, bis ich an die muss, hatte ich das gar nicht mehr auf dem Schirm. Offensichtlich hatte ich es völlig verdrängt und überhaupt nicht daran gedacht, dass das die Ursache für meinen Zustand sein könnte.

Mir ging es immer schlechter und irgendwann bin ich zum Hausarzt gegangen. Der hat dann Herz und Kreislauf gecheckt, konnte aber nichts feststellen. Heute weiß ich, was eine schleichende Vergiftung durch Nierenversagen bedeutet. Dadurch, dass ich intellektuell immer weniger leistungsfähig war, war ich vermutlich auch nicht mehr in der Lage zu verstehen, was mit mir los war und entsprechend zu reagieren. Am Ende konnte ich kaum noch aufstehen. Man kann schlicht sagen: Ich starb langsam.

Die erste Dialyse im Krankenhaus

Im Herbst 1986 bin ich dann mit Nasenbluten per Notarzt ins Krankenhaus gekommen. Das Blut lief wie aus einem Wasserhahn und ließ sich nicht stoppen. In der Notaufnahme hat man versucht, die Blutung zu stoppen. Und man hat mir Blut abgenommen und ein Blutbild gemacht. Der Arzt kam dann wieder – ich kann mich ganz genau erinnern – und sagte, dass die Werte nicht stimmen könnten. Irgendwas müsste im Labor schiefgelaufen sein. Mir wurde dann ein zweites Mal Blut abgenommen und die Werte waren genauso schlecht. Ich war in einem akuten Vergiftungszustand und musste erst mal auf der Intensivstation bleiben. Am nächsten Tag wurde ich im Krankenhaus zum ersten Mal dialysiert. Aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

Die Dialyse hat mein Leben gerettet

Meine Erinnerung setzt erst wieder mit der zweiten ein. Am Anfang war das schon unangenehm. Aber ich habe nach ein bis zwei Wochen sehr schnell eine deutliche Verbesserung meines Gesundheitszustands gespürt. Die Behandlung beziehungsweise das Dialysegerät habe ich wie einen Lebensretter erlebt. Mir ist sehr schnell klargeworden und ich habe akzeptiert, dass ich an der bleiben werde.

Nach dem Krankenhausaufenthalt bin ich direkt an ein Dialysezentrum verwiesen worden. Der Arzt dort hat mir stark empfohlen, eine daheim zu versuchen. Das bedeutete Schulung und Training im Dialysezentrum. Und dann mit einem Zivildienstleistenden als unterstützende Person – das gab es damals noch – nach Hause, um dreimal pro Woche selber zu dialysieren. Ziel war es, mit der Heimdialyse möglichst unabhängig zu sein. Ich war damals erst Mitte 20 und studierte noch.

Entscheidung für eine Heimdialyse

In meiner Wohnung hatte ich einen Dialyseraum eingerichtet. Da war ein Bett drin und die Maschine, die einen gewissen Platz wegen der Schlauchsysteme braucht. Ich musste auch etwas umbauen. Die Maschine braucht einen eigenen Stromkreis und Wasseranschlüsse sowie eine Osmose-Anlage, um das Wasser für die aufzubereiten. Das war schon relativ aufwendig.

Eine Heimdialyse bedeutet auch, dass man nicht ganz so an enge Zeiten gebunden ist. Ich hatte mich damals für die an den Tagen Montag, Mittwoch und Freitag entschieden. Ob ich das dann morgens oder abends machte, habe ich mit dem Zivildienstleistenden abgesprochen. In dieser Hinsicht war ich schon viel flexibler als mit festen Zeiten im Dialysezentrum. Dazu kommt dann noch der Fahrtweg zum Dialysezentrum. Mit meiner Heimdialyse konnte ich mit Einschränkungen, aber relativ ungestört das Studium fortsetzen und dann ins Berufsleben eintreten.

Ich arbeite immer noch im selben Beruf. Ich bin freiberuflich tätig, was eine gute Entscheidung war. Eine Festanstellung stelle ich mir mit der nicht so einfach vor. So lässt sich das sehr gut miteinander verbinden.

Umstellung auf eine tägliche Dialyse

Etwa vor zehn Jahren hat mir ein Arzt aus dem Dialysezentrum dazu geraten, auf eine tägliche Heimdialyse umzustellen. Grund dafür war mein relativ stabiler Gesundheitszustand – und dass ich keine anderen Erkrankungen hatte, die eine Heimdialyse erschweren konnten.

Das bedeutete für mich, dass ich jeden Tag bis auf Sonntag zweieinhalb Stunden dialysiert habe. Sonst sind es oft viereinhalb oder fünf Stunden und so konnte ich etwas Zeit pro Tag gewinnen. Das konnte ich auch allein, ohne Zivildienstleistenden machen. Das war auch gut, denn die gab es mittlerweile immer seltener. Technische Neuentwicklungen an den Maschinen ermöglichten, dass ich das allein handhaben konnte. So ging das ein paar Jahre.

Dialyse im Zentrum passte besser zu meinem Leben

Vor etwa sechs Jahren ist meine Mutter erkrankt und ich habe mich um sie gekümmert. Aber ich war nun dreifach belastet, habe für meine Mutter gesorgt, gearbeitet und allein dialysiert. Aus diesem Grund bat ich nach einer gewissen Zeit vorübergehend darum, in einem Dialysezentrum versorgt zu werden. Dort bin ich dann wieder dreimal die Woche dialysiert worden.

Am Ende bin ich dort geblieben, obwohl ich mich die ganzen Jahre gegen eine im Zentrum mit festen Zeiten gesträubt hatte. Aber mir hat es dort doch gut gefallen und ich habe freundschaftliche Kontakte knüpfen können, zu Mitpatienten und auch dem Personal.

Ich gehe gern hin. An den Fahrtweg und die festen Zeiten habe ich mich gewöhnt. Ich brauche jetzt insgesamt mehr Zeit für die , das auf jeden Fall. Die Fahrtzeit kommt ja auch dazu. Und dadurch, dass wir zu fünft auf dem Zimmer liegen, verzögert sich öfter mal das eine oder andere. Im Grunde bin ich von morgens sieben Uhr bis mittags oder frühen Nachmittag unterwegs.

Das ist mehr Zeit, als wenn ich die daheim mache. Aber ich kann arbeiten oder wenn nicht so viel zu tun ist, die Zeit als Freizeit nutzen, indem ich lese oder im Internet surfe. Ich kann während der aber auch gut am Tablet arbeiten. Das klappt in der Regel ganz gut und es ist keine verlorene Zeit.

Man hat die Wahl, auch später im Leben

Man hat die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten der : Zentrums- oder Heimdialyse, Hämodialyse oder Bauchfelldialyse. Und wenn es der Gesundheitszustand zulässt, kann man auch zwischen den Möglichkeiten wechseln.

Die Wahl der Heimdialyse war damals genau der richtige Weg für mich. Ich habe das letztlich auch 25 Jahre so gemacht und es hat sich für mich sehr gelohnt. Und auch später die tägliche war für eine ganze Zeit sehr gut für mich. Es hat für mich einen Unterschied ausgemacht, ob ich fünf oder nur zweieinhalb Stunden an der Maschine bin. Damals bin ich morgens aufgestanden, habe mich an die Maschine gehängt, war um 10 Uhr fertig und hatte noch den ganzen Tag zur Verfügung. Diese Unabhängigkeit, diese gewisse Freiheit fand ich bei der Heimdialyse toll.

Die Bauchfelldialyse kam für mich persönlich nicht infrage. Mir erschien das zu aufwendig. Und ständig einen Zugang über den Bauch zu haben, habe ich mir für mich nicht so toll vorgestellt. Aber es gibt auch Patienten, die sich dafür entscheiden, weil es besser zu ihrer Lebensgestaltung passt. Zum Beispiel ist es etwas leichter, mit diesem System zu verreisen.

Reisen ist trotz Dialyse möglich

Aber heutzutage ist das Netz von Feriendialysemöglichkeiten so dicht, dass man quasi auch als Dialysepatient fast in die ganze Welt, zumindest in die klassischen Urlaubsländer, fahren kann. Ich habe damit gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel in Spanien. Eine Zeitlang bin ich auch regelmäßig in Deutschland unterwegs gewesen beziehungsweise bin gependelt. Ich bin dann immer dort ins Dialysezentrum gegangen. Das habe ich gemeinsam mit dem Dialysezentrum vorbereitet, aber es war organisatorisch kaum ein Aufwand und ging sehr schnell, einfach und unkompliziert.

Die jahrelange Dialyse zeigt Spuren

Das ganze Prozedere über die Jahre geht nicht spurlos an einem vorüber. Bei mir geht es auf die Knochen, den Rücken und die Gelenke. Ich bin längst nicht mehr so mobil, wie ich mir das wünschen würde. Irgendetwas schmerzt immer. Mittlerweile nehme ich öfter und lieber das Auto als die Bahn.

Ich habe auch eine Störung der Nerven, eine in den äußeren Gliedmaßen. Sie schreitet ganz langsam voran. Vor allem spüre ich sie als Taubheit in den Fingern; das Feingefühl fehlt. Im Haushalt muss ich zum Beispiel aufpassen, dass mir nichts runterfällt. Das belastet mich sehr und ich fühle mich eingeschränkt.

Wenig Komplikationen mit dem Shunt

Mit dem Zugang habe ich relativ wenig Probleme. Nachdem mir der Shunt zum ersten Mal gelegt wurde, musste er kurze Zeit später korrigiert werden. Aber dieser Zugang hat dann etwa 27 Jahre ohne größere Probleme gehalten. Als ich irgendwann mal wie üblich ins Zentrum zur gefahren bin, war er verschlossen. Das war dann schon etwas lästig. Ich musste in ein Krankenhaus gebracht werden, wo der Shunt korrigiert wurde. Das muss sofort gemacht werden, weil man ja nicht ewig auf die warten kann. Es ist kein Riesenakt gewesen, aber man wird halt plötzlich aus dem Alltag gerissen. Das ist nicht sehr angenehm. Aber seitdem läuft es wieder problemlos.

Erfolglose Transplantationen

Ich hatte in der Vergangenheit zwei Transplantationen, einmal vor etwa zehn und einmal vor etwa 20 Jahren. Sie haben beide nicht funktioniert. Das ist relativ ungewöhnlich. Mein Körper hat die Organe einfach nicht akzeptiert. Ich bekam auch Infektionen, sodass ich zum Beispiel nach der ersten noch etwa ein halbes Jahr im Krankenhaus war, um die in den Griff zu bekommen.

Derzeit überlege ich, ob ich es noch ein drittes Mal versuchen sollte. Trotz der Folgeerscheinungen bin ich noch fit und mit meinen 56 Jahren auch noch relativ jung. Also die Ärzte meinen, dass ich von meinem körperlichen Zustand her auf jeden Fall eine weitere versuchen könnte. Die Vorstellung, dass es funktionieren und ich von der Maschine weg könnte, ist sehr verlockend. Aber wenn ich daran denke, wie die beiden ersten Transplantationen abgelaufen sind und dass ich mit der trotz der Einschränkungen all die Jahre gut zurechtgekommen bin, finde ich es eine sehr schwere Entscheidung.

Auf Blutdruck und Ernährung muss ich achten

Mein Blutdruck schwankt immer sehr. Entweder ist er zu hoch oder er ist zu niedrig. Ich habe relativ selten Phasen, in denen er normal ist. Momentan ist er wieder zu hoch und wir versuchen, das durch Blutdrucksenker in den Griff zu bekommen. Zusätzlich nehme ich noch und Phosphatbinder ein und ich bekomme ein Medikament zur Blutbildung, wie vermutlich sehr viele Patienten mit einer Nierenerkrankung.

Ich habe mittlerweile keine Ausscheidungen mehr. Das bedeutet, dass alles, was ich trinke, im Körper bleibt. Das muss dann durch die rausgespült werden. Bei mir ist es im Gegensatz zu vielen anderen Patienten eher das Problem, dass ich nicht zu viel, sondern zu wenig trinke. Ich habe einfach keinen Durst und muss mich regelrecht zwingen, über den Tag verteilt genug zu trinken.

Beim Essen ist das bei mir dagegen relativ unkompliziert. Mit etwas Augenmaß kann ich im Prinzip alles essen. Zu Beginn habe ich ganz genau mit einer kleinen Waage abgewogen, wie viel ich von bestimmten Lebensmitteln gegessen habe. Das mache ich schon lange nicht mehr. Ich glaube, ich habe mit der Zeit ein ganz gutes Gefühl entwickelt. Wenn ich zum Beispiel zu viel aufgenommen habe, bekomme ich oft Krämpfe in den Waden. Dann muss ich dagegen steuern, denn zu viel im Körper kann sehr gefährlich sein.

Ein normales Leben trotz und mit Dialyse

Ich habe die relativ leicht für mich annehmen können. Es war für mich eine sehr schnelle Verbesserung von einem extrem schlechten Zustand hin zu einem normalen Leben, mit der Einschränkung der dreimal die Woche. Ich war diesem Gerät so dankbar. Es war die einzige Möglichkeit für mich, weiter zu leben. Was ich ja unbedingt wollte, ich hatte ja noch nicht mal richtig angefangen zu leben.

Aber ich kenne auch andere Patienten, für die das anders ist und die große Probleme haben. Gerade am Anfang kann es schwierig sein, die zu akzeptieren. Ich finde es wichtig, dass sich diese Patienten Hilfe holen um zu lernen, mit der zu leben. Mit der Zeit kann man ein nahezu normales Leben führen. Es gibt keine größeren Einschränkungen, am öffentlichen Leben teilzunehmen oder Beziehungen einzugehen. Ich finde, es gibt keinen Grund, wegen einer Dialysepflicht deprimiert zu sein: Das ist nicht das Ende des Lebens!

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Über diese Seite

Erstellt am 21. März 2018

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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