Aktiv, neugierig und engagiert bleiben

Foto von lesendem Mann im Garten

Holger, 49 Jahre

„Nach der Diagnose war es für mich sehr wichtig zu spüren, dass mein Umfeld auch weiter zu mir steht. Das mich niemand verlassen will und ich meinen Job behalte. Das hat mir Sicherheit gegeben. Diese Sicherheit war die Grundlage, mich auf ein Leben mit Parkinson einzustellen.“

Die ersten Anzeichen für tauchten bei mir auf, als ich 35 Jahre alt war. Ich kann mich noch genau an die Situation erinnern: Ich saß bei der Arbeit in der Kantine und am Tisch wurde ein stressiges Thema besprochen. Es war keine gute Stimmung. Ich habe dann plötzlich mit einer Hand angefangen zu zittern. Mein Gegenüber hat mich etwas komisch angeschaut, aber nichts gesagt. Ich wunderte mich und fragte mich, warum ich jetzt so zittere und schob es auf die stressige Situation. Das Zittern ging aber wieder weg.

Ein paar Jahre später gab es eine sehr anstrengende Phase in meinem Leben und das Zittern kam wieder. Das wurde so schlimm, dass ich zuerst dachte, ich wäre psychisch erkrankt. Ich habe mich beim Mittagessen so hingesetzt, dass mir keiner gegenüber saß. Wenn ich nur ein klein wenig unter Druck war, fing ich an mit den Händen zu zittern. Das war mir alles sehr unangenehm. Aber ich hätte nie gedacht, an erkrankt zu sein.

Es wurde eine Dystonie diagnostiziert, aber noch kein Parkinson

Einige Zeit später hatte ich beim Krafttraining immer wieder Beschwerden im Nacken-Kopf-Bereich: Der Kopf zog sich wie automatisch ein wenig nach oben. Daraufhin bin ich zu einem Neurologen gegangen. Der Arzt beruhigte mich und diagnostizierte eine Dystonie (Anmerkung der Redaktion: eine Bewegungsstörung, die mit Muskelkrämpfen einhergeht). Und daraufhin wurde ich auch behandelt.

Die Beschwerden mit meinem Kopf wurden jedoch mit der Zeit schlimmer. Ich bin zu mehreren Ärzten gegangen: vom Orthopäden bis zum Neurochirurgen. Sie haben alles Mögliche probiert und nichts hat geholfen. Keiner der Ärzte hat in Betracht gezogen.

Die Diagnose war erleichternd

Ein Bekannter hat mich dann zu einem Orthopäden geschickt, der mich sehr gründlich untersucht und zu einem Neurologen zur weiteren Abklärung überwiesen hat. Dieser Neurologe war mir nicht sympathisch, aber er war sehr gut. Gleich im ersten Gespräch meinte er, dass er mich auf untersuchen würde. Das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich war mir sicher, dass ich so etwas nicht habe, und war skeptisch. Aber ich habe diese Untersuchung machen lassen und am Tag nach der Untersuchung rief mich der Neurologe an und bat mich, bei ihm vorbeizukommen. Da habe ich schon geahnt, dass ich habe. Ich war fix und fertig.

Gemeinsam mit meiner Frau bin ich dann zu ihm gefahren. Aber ich war überrascht, über den Arzt und auch über mich: Es war zwar , aber der Arzt war regelrecht froh über das Ergebnis. Er meinte, dass es gut wäre, endlich zu wissen, an was ich erkrankt bin. Denn jetzt könnte man mich richtig behandeln. Das hat mir Hoffnung gegeben: Endlich wusste ich, was ich habe und dass man etwas dagegen tun kann.

Die Nebenwirkungen waren sehr belastend

Der Arzt begann die Behandlung mit einem ganz niedrig dosierten Medikament. Aber ich konnte trotz der niedrigen Dosierung nicht schlafen. Ich dachte erst, dass es an etwas anderem liegt und nicht an den Medikamenten, aber mit der geplanten Dosissteigerung wurden die Schlafprobleme schlimmer. Als ich dann Schlafmedikamente verordnet bekam, ging es wieder besser. Aber es kamen noch Angstzustände dazu. Ich bat daraufhin den Arzt, etwas zu verändern.

Er wechselte dann das Medikament. Das neue Mittel war zuerst wesentlich besser für mich. Mit der Zeit wurde ich aber vergesslich und konnte mich nur schlecht konzentrieren. Und ich bekam depressive Gedanken. Das war schlimm für mich. Dann haben wir das Mittel abgesetzt und ich stand erstmal ohne Medikament da.

Bis ich zu einer stationären Reha geschickt wurde. Diese Reha hat mir sehr gut getan. Es wurde mir ein neues Medikament gegeben. Das vertrage ich bis heute sehr gut, und ich habe keine Nebenwirkungen. Zudem bekomme ich noch ein Antidepressivum, in einer ganz niedrigen Dosis. Damit komme ich jetzt sehr gut klar.

Das Leben mit Parkinson

Mit der Zeit habe ich gelernt, mit der Erkrankung umzugehen. Das war nicht immer einfach und hat einige Zeit gebraucht. Und in manchen Momenten ist es immer wieder schwer. Aber, wenn ich das so sagen kann, habe ich Glück im Unglück.

Nicht lange nach der habe ich im Fernsehen eine Dokumentation über einen Mann und eine Frau gesehen, die beide an erkrankt waren. Es wurde gezeigt, wie das Paar seinen Alltag mit der Erkrankung managte. Das hat mir viel von meiner Angst genommen.

Ich habe dann auch Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe aufgenommen und mich beim ersten Mal in einer Gaststätte mit der Gruppe getroffen. Ich bin heute noch dabei. Dieser Austausch mit anderen, die in einer ähnlichen Situation stecken, hilft mir, gibt mir Mut und Kraft.

Durch diese Dokumentation über das Paar und die Kontakte in der Selbsthilfegruppe habe ich gesehen, dass es auch ein erfülltes Leben mit geben kann. Das war erleichternd für mich und hat mir Zuversicht gegeben.

Meine Familie und mein Arbeitgeber unterstützen mich und geben Sicherheit

In diesen ganzen Jahren haben mir natürlich die Ärzte geholfen, aber besonders meine Familie und mein Arbeitgeber. Nach der war es für mich sehr wichtig zu spüren, dass mein Umfeld auch weiter zu mir steht. Dass mich niemand verlassen will und ich meinen Job behalte. Das hat mir Sicherheit gegeben und war die Grundlage, mich auf ein Leben mit einzustellen.

Mein Arbeitgeber hat veranlasst, dass wir uns mit dem Betriebsrat, dem Gruppenleiter und der Personalabteilung zusammensetzen, um zu überlegen, wie mir am besten geholfen werden kann. Wir haben uns für das Hamburger Modell zum Wiedereinstieg in den Beruf entschieden. Ich bin dann nach meiner Krankschreibungsphase langsam zunächst bis zu vier Stunden täglich wieder in den Beruf eingestiegen und habe dann weiter Teilzeit gearbeitet. Es wurde darauf geachtet, dass meine Arbeitsumgebung stimmt, zum Beispiel, dass mein Büro nicht allzu weit von den Toiletten entfernt liegt, da das Gehen beschwerlich für mich ist. Besonders angenehm ist aber, dass meine Fähigkeiten und Interessen bei der Aufgabenverteilung berücksichtigt werden.

Die Arbeit ist für mich sehr wichtig. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, sie wegen der Erkrankung aufzugeben. Im Gegenteil, ich bin viel engagierter als früher. Und die Arbeit macht mir viel Spaß. Am Schreibtisch sind wir alle gleich. Wir machen alle den gleichen Job und das genieße ich. Auch dass ich nur einen halben Tag arbeite, ist mittlerweile wie eine Befreiung für mich, weil es meinem Leistungsvermögen entspricht und mich vor Erschöpfungszuständen bewahrt.

Aktiv, neugierig und engagiert bleiben

Mit meiner Erkrankung gehe ich möglichst offen um. Auch wenn das nach wie vor nicht immer einfach ist. Ich habe zum Beispiel auf der Arbeit ein paar Wochen nach der davon erzählt. Generell habe ich mich durch die Erkrankung verändert. Ich bin offener im Vergleich zu früher geworden.

Ich finde es wichtig, sich die Freude am Leben und die Neugier zu bewahren. Auch mal etwas Neues zu wagen, etwas zu probieren, was man schon immer mal machen wollte und sich möglichst nicht zu verstecken. Sich für andere, für ein Hobby, für die Arbeit zu engagieren und aktiv zu sein. Das lenkt auch von der Krankheit ab.

Ich will mein Gehirn fordern. Dazu beschäftige ich mich unter anderem viel mit dem Internet. Und ich drehe auch Filme. Grundsätzlich habe ich Spaß daran, immer wieder neue Sachen auszuprobieren.

Der Kontakt mit anderen Patienten über die Selbsthilfe ist für mich sehr wichtig. Den Austausch mit anderen, die das gleiche Problem haben wie ich, relativiert meine Situation. Mittlerweile sind einige vertraute Kontakte aus den Gruppentreffen entstanden. Ich freue mich, wenn ich unerwartet von meinen „Leidensgenossen“ angerufen und einfach nur nach meinem Befinden gefragt werde. Meistens geht es mir (und den anderen) nach einem kurzen Austausch schon etwas besser.

Wenn ich allein bin und es mir schlecht geht, dann schreibe ich manchmal auch Kurzgeschichten. Das hilft mir, lenkt mich ab und mir geht es danach in der Regel besser. Was mir auch hilft, sind Aufenthalte im Kloster. Ich mache dort nichts, sondern bin einfach da. Ich schlafe, esse, rede mit den Leuten und meditiere, was mir ebenfalls Kraft gibt.

ist eine sehr unangenehme Krankheit mit vielfältigen Beschwerden. Der Umgang mit den körperlichen, physischen und psychischen Symptomen stellt mich täglich vor Herausforderungen. Sie anzunehmen, kann dazu führen, dass das Leben reicher und intensiver wird. Voraussetzungen dafür – und das muss ich leider zugeben – sind jedoch eine gute Medikamenteneinstellung (die mit fortschreitendem Krankheitsverlauf immer wichtiger wird) und ein verständnisvolles, aber auch forderndes soziales Umfeld. Carpe Diem!

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 22. Februar 2023

Nächste geplante Aktualisierung: 2026

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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