Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2019 geprüft, ob Brigatinib Vor- oder Nachteile für bereits mit Crizotinib behandelte Personen mit ALK-positivem nicht kleinzelligem Lungenkrebs im Vergleich zur Standardtherapie (Ceritinib) hat. Um diese Frage zu beantworten, legte der Hersteller jedoch keine geeigneten Daten vor.
Im Jahr 2020 hat das IQWiG geprüft, ob Brigatinib für Personen mit ALK-positivem nicht kleinzelligem Lungenkrebs, die noch nicht mit einem ALK-Hemmer behandelt wurden, Vor- oder Nachteile zur Vergleichstherapie mit Alectinib oder Crizotinib hat.
Um diese Frage zu beantworten, legte der Hersteller eine Zwischenauswertung einer noch laufenden Studie mit 275 Teilnehmenden vor: 137 Patientinnen und Patienten wurden mit Brigatinib behandelt, und 138 Personen mit Crizotinib.
Welche Vorteile hat Brigatinib?
Lebenserwartung: Hier deutet die Studie auf einen Vorteil für Personen hin, bei denen sich bereits Absiedlungen im Gehirn (Hirnmetastasen) gebildet hatten: von den mit Crizotinib behandelten Personen starben während einer mittleren ( Median) Beobachtungsdauer von etwa 27 Monaten ungefähr 45 von 100 Personen. Bei einer Therapie mit Brigatinib waren es im gleichen Zeitraum etwa 24 von 100 Patientinnen und Patienten. Bei Patientinnen und Patienten ohne Hirnmetastasen zeigte sich kein Unterschied zwischen den Behandlungen.
Schmerzen: Erste Schätzungen deuten auf einen Vorteil für Frauen hin: Unter Crizotinib verschlechterten sich Schmerzen bei etwa 66 von 100 Frauen. Unter Brigatinib war dies bei etwa 51 von 100 Frauen der Fall. Bei Männern zeigte sich kein Unterschied.
Übelkeit und Erbrechen: Erste Schätzungen deuten hier auf einen Vorteil von Brigatinib hin: Unter Crizotinib verschlechterten sich diese Beschwerden bei etwa 70 von 100 Personen, während dies unter Brigatinib bei etwa 51 von 100 Personen der Fall war.
Verstopfung: Erste Schätzungen deuten auf einen Vorteil von Brigatinib hin: Unter Crizotinib verschlechterte sich eine Verstopfung ( Obstipation) bei etwa 64 von 100 Personen, während dies unter Brigatinib bei etwa 50 von 100 Personen der Fall war.
Gesundheitsbezogene Lebensqualität: Bei verschiedenen Aspekten der Lebensqualität deuten erste Schätzungen der Studie auf einen Vorteil von Brigatinib im Vergleich zu Crizotinib hin:
- Einschätzung der Gesundheit und Lebensqualität insgesamt (globaler Gesundheitszustand): Unter Crizotinib verschlechterte sich der selbst eingeschätzte Gesundheitszustand bei etwa 53 von 100 Personen, während dies unter Brigatinib bei etwa 44 von 100 Personen der Fall war.
- Gefühle wie Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit, Sorge und Angespanntheit (emotionale Funktion): Unter Crizotinib verschlechterten sich solche Gefühle bei etwa 52 von 100 Personen, während dies unter Brigatinib bei etwa 37 von 100 Personen der Fall war.
- Einschränkung im Alltag, in der Freizeit oder bei der Arbeit (Rollenfunktion): Bei Frauen, die Crizotinib einnahmen, nahmen solche Einschränkungen bei etwa 65 von 100 Frauen zu, während dies unter Brigatinib bei etwa 49 von 100 Frauen der Fall war. Für Männer zeigte sich kein Unterschied.
- Beeinträchtigung im Familienleben, bei Unternehmungen mit Freunden und anderen sozialen Aktivitäten (soziale Funktion): Auch hier gab es für Frauen einen Unterschied: Unter Crizotinib nahmen solche Beeinträchtigungen bei etwa 63 von 100 Frauen zu, während dies unter Brigatinib bei etwa 35 von 100 Frauen der Fall war. Für Männer zeigte sich kein Unterschied.
Nebenwirkungen: Bei verschiedenen Nebenwirkungen deuten erste Schätzungen auf einen Vorteil von Brigatinib im Vergleich zu Crizotinib hin:
- Augenerkrankung: Unter Crizotinib bekamen etwa 55 von 100 Personen eine Augenerkrankung, während dies unter Brigatinib bei etwa 16 von 100 der Fall war.
- peripheres Ödem: Unter Crizotinib trat bei etwa 45 von 100 Personen eine Flüssigkeitsansammlung in den Armen oder Beinen auf, unter Brigatinib war das bei etwa 7 von 100 Personen der Fall.
- Magen-Darm-Erkrankungen: Unter Crizotinib hatten etwa 88 von 100 Personen mit Magen-Darm-Erkrankungen zu tun, unter Brigatinib waren es etwa 77 von 100.
Welche Nachteile hat Brigatinib?
Bei einzelnen schweren Nebenwirkungen gab es Nachteile:
- Stark erhöhte Enzymwerte: Die Studie deutet hier auf einen Nachteil von Brigatinib im Vergleich zu Crizotinib hin: Etwa 2 von 100 Personen, die mit Crizotinib behandelt wurden, hatten erhöhte Werte der Kreatinphosphokinase. Von den Personen, die Brigatinib erhielten, waren es etwa 24 von 100.
- Schwerer Bluthochdruck: Auch hier deuten erste Schätzungen auf einen Nachteil von Brigatinib hin: Bei etwa 3 von 100 Personen, die mit Crizotinib behandelt wurden, war der Blutdruck stark erhöht. Unter den Personen, die Brigatinib erhielten, waren es etwa 12 von 100.
Auch bei leichteren Erkrankungen der Haut deuten erste Schätzungen auf einen Nachteil von Brigatinib hin:
- Von den mit Crizotinib behandelten Personen ab 65 Jahre bekamen etwa 16 von 100 eine Hauterkrankung, während dies mit Brigatinib bei etwa 54 von 100 der Fall war. Bei Personen unter 65 Jahren zeigte sich kein Unterschied.
Wo zeigte sich kein Unterschied?
Krankheitsbeschwerden: Für Durchfall (Diarrhö), Schlaflosigkeit, Atemnot (Dyspnoe), Erschöpfung ( Fatigue) und Appetitverlust zeigte sich kein (relevanter) Unterschied.
Gesundheitsbezogene Lebensqualität: Bei verschiedenen Aspekten der Lebensqualität konnte kein Unterschied nachgewiesen werden:
- Bewältigung von Aktivitäten des Alltags wie beispielsweise Einkaufen oder Waschen (körperliche Funktion)
- Konzentration und Erinnerung (kognitive Funktion)
Schwere Nebenwirkungen: Bei schweren Nebenwirkungen insgesamt zeigte sich kein Unterschied.
Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen: Auch hier zeigte sich kein Unterschied.