Gut zu wissen:
Sind Sie zur Teilnahme an einer klinischen Studie gefragt worden? Was das für Sie bedeutet und welche Dinge dabei zu bedenken sind, erklärt unser Text „Soll ich an einer klinischen Studie teilnehmen?“.
Welche Vor- und Nachteile hat eine Behandlung oder Untersuchung? Welche Nebenwirkungen hat ein neues Medikament? Wirkt es besser als die bisherige Behandlung? Das sind Fragen, die sich täglich viele Patientinnen und Patienten, aber auch Ärztinnen, Ärzte und andere Fachkräfte stellen. Um verlässliche Antworten zu bekommen, werden Behandlungen teils über Jahre hinweg zuerst im Labor oder in Tierversuchen getestet – und schließlich in Studien an Menschen. Diese werden klinische Studien genannt.
Es gibt verschiedene Arten von klinischen Studien:
Es ist gesetzlich vorgeschrieben, die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Medikamente und Medizinprodukte zu untersuchen, bevor Patientinnen und Patienten damit behandelt werden dürfen. Dazu braucht es verlässliche und nachprüfbare Belege über den Nutzen und Schaden. Diese erhält man nur mit guten klinischen Studien. Interventionsstudien zu neuen Medikamenten und Medizinprodukten nennt man auch „klinische Prüfung“.
Solche Studien sind der Motor für medizinischen Fortschritt. Sie ermöglichen es, Patientinnen und Patienten in Zukunft besser zu behandeln.
Dafür braucht es Menschen, die freiwillig daran teilnehmen. Um sie zu schützen, müssen klinische Studien rechtliche und ethische Vorgaben erfüllen und von verschiedenen Stellen genehmigt werden.
Sind Sie zur Teilnahme an einer klinischen Studie gefragt worden? Was das für Sie bedeutet und welche Dinge dabei zu bedenken sind, erklärt unser Text „Soll ich an einer klinischen Studie teilnehmen?“.
Interventionsstudien untersuchen die Wirksamkeit und Sicherheit medizinischer Maßnahmen – zum Beispiel von Medikamenten, Operationsverfahren oder Untersuchungsmethoden.
Dabei können sie unterschiedliche Ziele haben: In manchen Studien wird erprobt, wie verträglich ein neuer Wirkstoff ist. In anderen wird die Wirkung einer neuen Behandlung gemessen, möglichst im Vergleich mit bestehenden Behandlungen. Ziel einer klinischen Studie kann auch sein, herauszufinden, wie ein Arzneimittel am besten angewendet wird: also in welcher Dosis, wie oft am Tag oder in welcher Form – zum Beispiel als Tablette oder Infusion.
Bei neuen Diagnose- und Untersuchungsmethoden wird beispielsweise geprüft, ob sie zuverlässiger oder schonender sind als andere Verfahren.
Beobachtungsstudien können sich ebenfalls mit der Wirksamkeit und Sicherheit von Behandlungen beschäftigen. Oft wird damit der Erkrankungsverlauf untersucht, etwa ob sich die Behandlungsergebnisse bei Männern und Frauen unterscheiden. Auch der Verlauf oder die Ursachen einer Krankheit können in Beobachtungsstudien ergründet werden.
Viele klinische Prüfungen untersuchen neue Arzneimittel. Bevor ein neuer Wirkstoff an Menschen untersucht werden darf, muss er jedoch im Labor und in Tierversuchen (sogenannten präklinischen Studien) untersucht werden. Dabei geht es vor allem um die Sicherheit: Gibt es Hinweise, dass ein Wirkstoff Zellen oder Organe schädigen kann? Wie wird er im Körper verarbeitet?
Nur wenn es keinen Hinweis auf Risiken gibt, darf der Wirkstoff in klinischen Studien Schritt für Schritt am Menschen erprobt werden. Dabei werden folgende Phasen unterschieden:
Nach der Zulassung finden manchmal sogenannte Phase-4-Studien statt. Sie können unterschiedliche Ziele haben. Manchmal vergleichen sie zwei Behandlungen oder beantworten wichtige Fragen, etwa zu seltenen Nebenwirkungen. Manchmal dienen sie aber eher den Verkaufsinteressen des Arzneimittelherstellers – zum Beispiel, ein neues Medikament bei Ärztinnen und Ärzten bekannter zu machen – und haben keinen Nutzen für Patientinnen und Patienten. Sie gelten dann oft als Beobachtungsstudien, weil sie die Behandlung mit dem bereits zugelassenen Mittel beobachten und nicht weiter in sie eingreifen. Dann unterliegen sie nicht den strengen Regelungen für Interventionsstudien. Betroffene erfahren dann häufig gar nicht, dass ihnen ein Medikament im Rahmen einer solchen Studie verschrieben wurde.
Klinische Prüfungen zu Arzneimitteln und Medizinprodukten unterliegen rechtlichen Vorgaben, die in der EU weitgehend einheitlich sind. In Deutschland werden diese im Arzneimittelgesetz (AMG) und im Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) geregelt.
Das Fundament der rechtlichen Vorgaben sind ethische Anforderungen an klinische Studien. Sie stellen sicher, dass die Würde der Studienteilnehmenden sowie ihre Rechte und Bedürfnisse geschützt werden. Das Forschungsziel muss sich dem unterordnen. Die ethischen Anforderungen sind für alle klinischen Studien gleich. Sie gehen auf die Deklaration von Helsinki zurück, in der der Weltärztebund im Jahr 1964 ethische Richtlinien für die medizinische Forschung am Menschen festgelegt hat. Zu den wichtigsten Grundsätzen zählen:
Darüber hinaus müssen zahlreiche weitere Vorgaben eingehalten werden. Dazu gehören unter anderem:
Wichtig ist auch: Damit die Erkenntnisse einer klinischen Studie optimal zur Versorgung von Patientinnen und Patienten genutzt werden können, müssen sie schnell veröffentlicht und der Fachwelt zugänglich gemacht werden. Zu klinischen Prüfungen von Arzneimitteln muss eine allgemeinverständliche Zusammenfassung der Ergebnisse im europäischen Register für klinische Studien veröffentlicht werden. Allerdings zeigen Untersuchungen, dass viele Studien nicht oder erst spät veröffentlicht werden – besonders dann, wenn sie nicht die erhofften Vorteile eines Wirkstoffs gezeigt haben. Das ist ein Problem: Denn auch das Ergebnis, dass ein Medikament nicht wirkt, ist eine wichtige Information für die Versorgung.
Eine klinische Studie darf erst beginnen, wenn folgende Stellen sie geprüft und genehmigt haben:
Damit diese Stellen eine Studie beurteilen können, muss ihnen der Prüfplan vorgelegt werden. Im Verlauf der Studie kontrolliert die zuständige Behörde, ob alle Vorgaben eingehalten werden. Bei Bedenken kann sie eingreifen oder die Studie abbrechen.
Studien, die Teilnehmende einer gewissen Strahlenbelastung aussetzen – etwa durch eine Computer-Tomografie oder radioaktive Wirkstoffe (Radiopharmaka) – müssen auch durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) genehmigt werden.
Einrichtungen, an denen klinische Studien stattfinden, nennt man auch Studienzentren. Meist sind das größere Krankenhäuser – häufig Universitätskliniken, die sich auf die jeweilige Erkrankung spezialisiert haben. Manchmal führen aber auch Arztpraxen klinische Studien durch.
An vielen Studien beteiligen sich mehrere Einrichtungen. Dann spricht man von multizentrischen Studien. Oft arbeiten dabei Studienzentren aus verschiedenen Ländern zusammen.
Beauftragt und finanziert werden klinische Studien meist durch Pharmaunternehmen oder Hersteller von Medizinprodukten, die neue Produkte auf den Markt bringen möchten. Es gibt aber auch Studien, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, etwa durch das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
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