Die Entscheidung für eine Operation war nicht leicht

Foto von Paar beim Spaziergang

Dieter, 60 Jahre

„Mit der Zeit haben sich die Beschwerden immer weiter verstärkt. Ich musste abends und in der Nacht häufig zur Toilette gehen. Der Harnfluss hat nicht mehr so gut funktioniert. Es gab oft einen Rückstau und der Harn konnte nicht komplett abfließen.“

Vor etwa vier oder fünf Jahren fing es an, dass ich ab und zu mehr als einmal in der Nacht zur Toilette musste. Von da an haben mein Arzt und ich die Prostata stärker beobachtet, ohne direkt etwas zu unternehmen. Im Laufe der Zeit wurde es jedoch schlechter und ich musste regelmäßig mehr als einmal in der Nacht raus. Das war schon belastend.

Zuerst haben mein und ich es weiter ohne Medikamente probiert. Später hat er mich über die medikamentösen Möglichkeiten aufgeklärt. Er hat das sehr gut gemacht. Ich habe mich dann für ein Medikament entschieden, das für einen besseren Harnfluss sorgen sollte. Dieses Medikament schaffte für eine gewisse Zeit eine Erleichterung. Aber es war für mich keine Dauerlösung. Ich habe dieses Medikament etwa zwei Jahre genommen.

Medikament war für mich keine Dauerlösung

Mit der Zeit haben sich die Beschwerden immer weiter verstärkt. Ich musste abends und in der Nacht häufig zur Toilette gehen. Der Harnfluss hat nicht mehr so gut funktioniert. Es gab oft einen Rückstau und der Harn konnte nicht komplett abfließen. Dadurch hatte ich häufig Infekte und Entzündungen und musste oft einnehmen. Diese Probleme wurden immer häufiger und der Harndrang trat auch immer plötzlicher auf. Ich nehme nicht so gerne Tabletten ein. Für mich war klar, dass das so kein Dauerzustand sein kann.

Meine Arbeit ist mir sehr wichtig, ich arbeite sehr gern und auch viel. Durch die Beschwerden und die Medikamente bin ich aber ab und an halbe oder auch ganze Tage ausgefallen. Mit den Medikamenten habe ich mich auch nicht arbeitsfähig gefühlt. Es hat mich genervt, dass ich nicht so arbeiten konnte, wie ich wollte.

Ich habe mir die Entscheidung für eine OP nicht leicht gemacht

Ich habe mich dann wieder von meinem Urologen beraten lassen. Er hat mich sehr intensiv über verschiedene Operationsmöglichkeiten aufgeklärt. Zusätzlich habe ich mich im Internet informiert, weil ich alles genau verstehen wollte. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich kannte noch einen anderen Urologen, der solche Operationen auch selber durchführt. Mit ihm habe ich mich intensiv beraten. Ich habe mir auch das Krankenhaus angeschaut, in dem die Operation stattfinden sollte und habe mit dem dortigen Chefarzt gesprochen. Ich stand vor der Entscheidung, eine eher klassische Operation oder eine Operation mit Laser oder Wärme durchführen zu lassen. Nach ausführlicher Beratung und einer entsprechenden Empfehlung habe ich mich dann für die eher klassische Operation (Transurethrale Resektion der Prostata (TURP); die Redaktion) entschieden.

Ein großer Diskussionspunkt für mich war die Möglichkeit, dass ich durch eine solche Operation meine Ejakulationsfähigkeit verlieren könnte. Nach langen und reiflichen Überlegungen habe ich mich entschieden, den Verlust der Ejakulationsfähigkeit in Kauf zu nehmen. Das war nicht leicht für mich. Ich habe die Vor- und Nachteile ausführlich mit meiner Frau besprochen. Das war mir eine große Hilfe. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass eine Operation des Beste für uns ist. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass die Entscheidung gut und richtig war.

Es dauerte zwei bis drei Monate, bis sich alles wieder eingespielt hatte

Vor etwa anderthalb Jahren wurde ich dann operiert. Nach der Operation entwickelte sich zunächst alles ganz normal. Aber ich hatte mir eine eingehandelt und dadurch hat die Heilung etwas länger gedauert. Teilweise war es sehr schmerzhaft. Aber aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich alles sehr gut überstanden habe.

Direkt nach der Operation musste ich noch immer etwa zwei- bis dreimal in der Nacht zur Toilette. Mit der Zeit wurde es aber besser und normalisierte sich. Diese Art Engpass, die Tröpfelei, die ich vorher hatte und das Wachwerden in der Nacht wurden weniger. Insgesamt hat es etwa zwei bis drei Monate gedauert, bis sich alles wieder eingespielt hatte.

Neben der verlorenen Ejakulationsfähigkeit waren auch die Schmerzen in der innerlichen Operationsnarbe ein Nachteil der Operation. Es fehlt mir durch den Verlust der Ejakulationsfähigkeit zwar etwas, aber der Sex macht trotzdem genauso viel Spaß wie vorher. Ich fühle mich dadurch nicht schlechter. Ich möchte ja auch keine Kinder mehr. Aber ich kann verstehen, wenn das große Ängste auslöst. Ich war vorher auch sehr skeptisch. Aber ich sah für mich keine Alternative. Die Nachteile sind für mich gering gegenüber den Beschwerden vor der Operation. Es wurde ja nicht besser, sondern immer schlechter.

Ich brauchte nach der Operation einige Zeit, um mich wieder normal in der Öffentlichkeit bewegen zu können. Der Harndrang ist am Anfang sehr stark. Ich konnte nicht in die Stadt gehen, da es jederzeit sein konnte, dass ich binnen fünf Minuten irgendwo eine Toilette brauchen würde. Man kann es nicht kontrollieren.

Ich wollte mich dennoch bewegen. Nicht weit von mir entfernt gibt es ein Waldgebiet, wo man stundenlang spazieren gehen kann, ohne dass man andere Menschen trifft. Das habe ich gebraucht, weil ich am Anfang etwa alle zehn Minuten hinter einen Baum musste. Aber im Wald ist das ja kein Problem. Die Bewegung und die frische Luft haben mir sehr geholfen.

Dieser ganze Prozess war psychisch anstrengend

Nach vier Wochen Krankschreibung bin ich wieder arbeiten gegangen. Am Anfang war es schon anstrengend, da ich doch recht häufig zur Toilette musste. Aber ich hatte mit der Zeit Übung darin bekommen, es so zu steuern, dass ich keine Nachteile durch die Erkrankung bekam. Ich habe zum Beispiel keine Besprechung angesetzt, die länger als eine Stunde dauert. Bei Besprechungen habe ich mich grundsätzlich an die Tür gesetzt, damit ich ganz schnell raus konnte. Das hat gut funktioniert.

Dieser ganze Prozess um die Erkrankung war psychisch anstrengend und nicht ganz einfach. Da ich ein sehr rationaler Mensch bin, habe ich mir vieles im Kopf klargemacht: Ich werde auf der einen Seite älter, was ja automatisch bedeutet, dass im Körper immer mehr Defekte auftreten. Das ist einfach so. Da kann man Glück oder Pech haben. Ich empfinde es immer noch als Glück, dass meine Erkrankung auf Dauer nicht wirklich Nachteile hat.

Für mich ist es wichtig zu verstehen, woran die Beschwerden liegen. Wenn ich verstehe, warum ich Schmerzen habe und wo diese herkommen, kann ich damit besser umgehen. Ich hatte in der Vergangenheit auch schon schlechte Erfahrungen mit Ärzten machen müssen. Daraus habe ich gelernt und schaue mir die Ärzte sehr genau an, zu denen ich gehe. Sehr wichtig sind mir menschliche und kommunikative Aspekte. Und ich versuche immer, mehr als eine Meinung zu hören. Das ist für mich und meine Entscheidungsfindung ganz wichtig. Was ich weiter für mich gelernt habe, ist, nicht lange den Helden zu spielen, sondern zum Arzt zu gehen, wenn es mir nicht gut geht.

Ich habe für mich erkannt, dass es keine schlimme Erkrankung ist, sondern ein unangenehmes Wachsen an der falschen Stelle. Was bei mir auch aufkam, war der Gedanke, dass es Krebs sein könnte und dass die Ärzte es hoffentlich auch richtig diagnostiziert haben. Da hilft es sehr, einen Arzt zu haben, zu dem man Vertrauen hat und mit dem man reden kann. Aber der Gedanke und die Furcht waren bei mir schon da und kommen zwischendurch immer wieder hoch, vor allem auch bei Nachuntersuchungen.

Der Harnstrahl hat sich bis heute wieder normalisiert. Was geblieben ist, ist ein gewisser Reiz, ein gewisser Harndrang. Der führt manchmal dazu, dass ich nachts noch ab und zu raus muss. Aber das ist im Verhältnis zu der Zeit vor der Operation sehr viel besser. Die ganze Aktion hat sich unbedingt gelohnt.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 28. Juni 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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