Wann ist eine langfristige Behandlung mit Medikamenten sinnvoll?

Foto von Patient in der Sprechstunde

Nicht immer lässt sich Gicht mit einer Ernährungsumstellung und weniger Alkohol in den Griff bekommen. Dann können Medikamente infrage kommen, die den Harnsäurespiegel senken. Eine langfristige Behandlung mit solchen Mitteln ist vor allem bei häufigen Gichtanfällen und Folgeproblemen wie Nierensteinen sinnvoll.

Gicht wird durch einen erhöhten Harnsäurespiegel verursacht. Wenn die Menge der Harnsäure im Blut eine bestimmte Grenze überschreitet, können sich Harnsäurekristalle in den Gelenken ablagern und Gichtanfälle auslösen. Ein über Jahre erhöhter Harnsäurespiegel kann zu Folgeproblemen führen und die Gelenke schädigen.

Eine akute Gicht kann chronisch werden. Da dies aber nicht bei allen Menschen passiert, ist unter Fachleuten umstritten, wann eine Behandlung mit harnsäuresenkenden Medikamenten begonnen werden sollte.

Die Entscheidung für eine Behandlung mit harnsäuresenkenden Medikamenten ist auch eine persönliche. Denn die Medikamente müssen über Jahre eingenommen werden und haben manchmal Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Mitteln. Sinnvoll ist, die Vor- und Nachteile der Behandlung gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt gut abzuwägen.

Wann kommen Medikamente infrage?

Eine medikamentöse Behandlung wird vor allem empfohlen, wenn

  • häufig Gichtanfälle auftreten oder sie sehr belastend sind,
  • im Röntgenbild Gelenkschäden zu sehen sind,
  • sich Gichtknoten gebildet haben oder
  • der erhöhte Harnsäurespiegel zu Nierensteinen geführt hat.

Anlass für eine Medikamenten-Behandlung kann auch sein, dass eine angepasste Ernährung nicht ausreicht, um den Harnsäurewert zu senken oder er sehr stark erhöht ist.

Wenn zum ersten Mal ein Gichtanfall auftritt, ist unklar, ob eine harnsäuresenkende sinnvoll ist. Manche Menschen haben nach einem ersten Anfall jahrelang keine weiteren Probleme, andere nur sehr selten. Deshalb sprechen sich manche medizinischen Fachgesellschaften gegen eine rasche Medikamenten-Behandlung aus.

Meist sind mit „häufigen“ Gichtanfällen mehr als 1 oder 2 Gichtanfälle pro Jahr gemeint. Doch neben der Zahl der Gichtanfälle spielt auch eine Rolle, wie belastend sie sind und wie gut harnsäuresenkende Medikamente vertragen werden. Manchen Menschen widerstrebt es zudem, täglich Tabletten einzunehmen. Andere dagegen sorgen sich um langfristige Folgen der Gicht und empfinden die Medikamenten-Einnahme als beruhigend.

Welche Medikamente kommen infrage?

Zur Senkung des Harnsäurespiegels wird meist das Medikament Allopurinol eingesetzt. Dieser Wirkstoff hemmt den Abbau von Purinen und senkt dadurch den Harnsäurespiegel. Das Medikament wird nach dem Essen mit viel Flüssigkeit eingenommen.

Es wird empfohlen, die Behandlung mit einer niedrigen Dosis von 100 mg zu beginnen und allmählich zu steigern, bis der Harnsäurewert unter 387 Mikromol pro Liter (µmol/l) oder 6,5 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) fällt. Oberhalb dieses Grenzwerts kann die Harnsäure im Blut Kristalle bilden.

Für Menschen mit leichter Gicht reichen meist Dosierungen von 200 bis 300 mg Allopurinol pro Tag, bei schwerer Gicht können 400 bis 500 mg pro Tag erforderlich sein. Die Höchstdosis liegt bei 800 mg pro Tag, sie ist aber nur selten nötig.

Nach Beginn der Behandlung wird zunächst alle drei Monate kontrolliert, ob der Harnsäurewert unter dem Wert liegt, ab dem sich Kristalle bilden könnten. Später reichen seltenere Kontrollen aus, zum Beispiel einmal im Jahr.

Andere Medikamente

Wenn eine Behandlung mit Allopurinol die Harnsäure nicht ausreichend senkt, kann das Medikament Febuxostat ausprobiert werden. Es hat einen ähnlichen Wirkungsmechanismus. Febuxostat wird aber nicht als erstes Mittel eingesetzt – unter anderem, weil es Hinweise  gibt, dass es das Risiko für tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vergleich zu Allopurinol etwas erhöhen könnte.

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit sind Medikamente aus der Gruppe der Urikosurika, wie Probenecid und Benzbromaron. Sie wirken, indem sie die Harnsäure-Ausscheidung über die Nieren steigern. Sie können zusätzlich zu Allopurinol eingenommen werden, werden aber nur sehr selten eingesetzt.

Wie wirksam sind die Medikamente?

Allopurinol und Febuxostat können den Harnsäurespiegel sehr wirksam senken. In Studien zu diesen Medikamenten gelang es bei den meisten teilnehmenden Personen, die Harnsäure unter einen Wert von 387 µmol/l (6,5 mg/dl) zu bringen.

Die meisten Fachleute gehen davon aus, dass sich mit den Medikamenten Folgeerkrankungen einer Gicht verhindern lassen. Dies wurde in den Studien aber nicht ausreichend geprüft. Es lässt sich daher nicht genau sagen, was Menschen mit Gicht tatsächlich von der langfristigen Einnahme der Mittel erwarten können – also zum Beispiel, wie viele Gichtanfälle sich vermeiden lassen oder wie gut die Behandlungen vor Gelenkschäden schützen.

Was ist bei der Anwendung zu beachten?

Gerade in den ersten Monaten der Behandlung können harnsäuresenkende Medikamente Gichtanfälle sogar begünstigen. Der Grund ist, dass sich die vorhandenen Harnsäurekristalle erst nach und nach auflösen. Dabei kann es passieren, dass kleine Kristallteilchen in das Gelenk geschwemmt werden. Dort bewirken sie eine , die zu einem Gichtanfall führt. Dies kommt recht häufig vor. Man geht davon aus, dass es bis zu zwei Jahre dauern kann, bis der Körper die vorhandenen Harnsäurekristalle abgebaut hat.

Um Gichtanfälle in dieser Zeit zu verhindern, wird in den ersten sechs Monaten oft zusätzlich niedrig dosiertes Colchicin verschrieben. Das Risiko für Anfälle lässt sich dadurch wirksam senken. Wenn es zu einem Anfall kommt, ist es nicht nötig, die harnsäuresenkenden Medikamente abzusetzen.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Eine mögliche Nebenwirkung von Allopurinol sind Hautausschläge. Sie treten bei geschätzt 1 von 100 Personen auf. Die meisten Hautausschläge sind leicht und bleiben ohne ernsthafte Folgen. Selten handelt es sich jedoch um ein erstes Anzeichen für eine Überempfindlichkeit gegen Allopurinol. Diese kann ernsthafte Komplikationen nach sich ziehen. Besonders gefährdet sind Menschen mit einer chronischen . Bei plötzlichem Krankheitsgefühl, Fieber, schnupfenähnlichen Beschwerden oder Hautausschlag, ist es daher wichtig, schnell ärztlichen Rat einzuholen.

Die Nebenwirkungen von Febuxostat sind noch nicht so gut untersucht. Mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit, Gelenkschmerzen. Auch bei der Behandlung mit Febuxostat können Hautausschläge und ernsthafte Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten. Im Vergleich zu Allopurinol kann der Wirkstoff das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

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Aktualisiert am 12. Januar 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

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Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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