Vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox)

Auf einen Blick

  • Durchschnittlich dauert es 5 bis 7 Minuten, bis ein Mann einen Orgasmus mit Samenerguss hat – dies ist individuell aber sehr unterschiedlich.
  • Etwa 4 % der Männer haben fast immer einen sehr frühen Samenerguss.
  • Das bedeutet zum Beispiel, dass sie bereits vor dem Einführen des Penis oder kurz danach zum Höhepunkt kommen.
  • Wenn dies sehr belastend ist, wird die Diagnose „Ejaculatio praecox“ gestellt.
  • Dann kommen bestimmte Übungen, Medikamente oder eine Sexualtherapie infrage.

Einleitung

Foto von Paar

In Fragen der Sexualität sind Mythen und übertriebene Vorstellungen weit verbreitet. Das gilt auch für die Frage, wie lange Männer beim Sex bis zum Höhepunkt brauchen. Diese Zeitspanne hängt von vielen Faktoren ab und kann von Mal zu Mal schwanken.

Misst man die Zeit mit einer Stoppuhr, dauert es im Durchschnitt 5 bis 7 Minuten, bis ein Mann seinen Höhepunkt erreicht und einen Samenerguss hat. Die Bandbreite ist dabei groß: Sie reicht von weniger als einer Minute bis zu mehr als einer halben Stunde.

Ob und wie stark sich ein vergleichsweise früher Höhepunkt auf einen Mann, seine Beziehung und die sexuelle Zufriedenheit auswirkt, ist sehr unterschiedlich. In Studien überschätzen Männer die Dauer bis zum Samenerguss teilweise um ein Viertel bis zur Hälfte der tatsächlichen Zeit. Sich daran zu orientieren, was andere von sich behaupten, ist deshalb keine gute Idee.

Etwa 4 % der Männer haben fast gar keine Kontrolle über ihren Samenerguss. Er tritt dann immer oder fast immer sehr früh auf – das heißt zum Beispiel, noch bevor oder direkt nachdem sie ihren Penis eingeführt haben. Die medizinische „vorzeitiger Samenerguss“ (Ejaculatio praecox) wird gestellt, wenn zu frühe Orgasmen zu einer Belastung werden. Dann sind verschiedene Behandlungen möglich, unter Umständen auch Medikamente. Manchmal kommt auch eine Sexualtherapie infrage.

Ursachen

Die Ursachen vorzeitiger Samenergüsse sind kaum erforscht. Bislang gibt es nur Vermutungen: Manche Fachleute gehen von biologischen Faktoren aus wie einem überempfindlichen Penis oder Veränderungen im Zusammenspiel der und Nerven.

Andere sehen die Ursache in psychischen Faktoren wie Beziehungsproblemen oder Versagensängsten. Biologische und psychologische Faktoren können auch gemeinsam verantwortlich sein und sich gegenseitig beeinflussen.

Manche Männer haben seit Beginn ihres Sexuallebens mit vorzeitigen Samenergüssen zu tun. Bei anderen treten sie erst im Laufe des Lebens auf; dann spricht man von „erworbenen“ vorzeitigen Samenergüssen.

Häufigkeit

Das Gefühl, zu früh zum Höhepunkt zu kommen, ist sehr subjektiv. Zudem wird es manchmal gezielt durch öffentliche Kampagnen zum Thema vorzeitiger Samenerguss verstärkt. Sie sind oft von Pharmafirmen finanziert und treten an mit dem Ziel, „Tabus abbauen“ zu wollen.

Typisch für solche Kampagnen ist aber, dass sie die Häufigkeit des Problems übertreiben. Oft wird dann behauptet, dass 20 bis 30 % aller Männer von vorzeitigem Samenerguss betroffen seien. Dabei wird dann nur die Zeit bis zum Samenerguss als Maßstab verwendet. Legt man wissenschaftlich anerkannte Diagnosekriterien an, liegen die Schätzungen bei höchstens 4 %. Dabei wird zum Beispiel auch berücksichtigt, wie oft vorzeitige Samenergüsse auftreten und ob sie einen Mann belasten.

Diagnose

Für eine Untersuchung kann man sich an eine urologische oder hausärztliche Praxis wenden. Die Ärztin oder der Arzt fragt dann nach der durchschnittlichen Zeit bis zum Samenerguss und danach, wie oft er zu früh eintritt, wie belastend das Problem ist und ob sich der Samenerguss hinauszögern lässt. Weitere Untersuchungen sind nur sinnvoll, wenn der Verdacht auf ein medizinisches Problem besteht.

Die wird gestellt, wenn

  • es fast immer ungewollt innerhalb einer Minute nach dem Einführen des Penis zum Samenerguss kommt,
  • es seit mehr als sechs Monaten zu vorzeitigen Samenergüssen kommt,
  • die vorzeitigen Samenergüsse stark belasten und
  • keine anderen Erkrankungen dafür verantwortlich sind.

Medizinisch gesehen handelt es sich nicht um vorzeitige Samenergüsse, wenn

  • sie nur gelegentlich vorkommen,
  • man längere Zeit sexuell abstinent war – dann ist es normal, anfangs schneller erregt zu sein und früher zum Höhepunkt zu kommen,
  • die Dauer bis zum Samenerguss im normalen Bereich liegt, aber als zu kurz empfunden wird.

Bei der Untersuchung werden auch andere Möglichkeiten abgeklärt, die die Zeit bis zum Samenerguss beeinflussen könnten. So gilt eine Prostataentzündung als möglicher Risikofaktor. Wenn die Prostata entzündet ist, sollte daher zunächst die behandelt werden. Anzeichen können häufiges Wasserlassen und Schmerzen beim Urinieren sein.

Vorzeitige Samenergüsse können manchmal auch Folge einer Erektionsstörung sein – zum Beispiel, wenn ein Mann sich beeilt, weil er Angst hat, dass er die Erektion nicht länger aufrechterhalten kann. Dann ist das Hauptproblem aber die Erektionsstörung, nicht der vorzeitige Samenerguss.

Behandlung

Ob und wie man vorzeitige Samenergüsse behandeln möchte, ist eine sehr persönliche Frage. Zur Behandlung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Bestimmte Techniken sollen dabei helfen, den Samenerguss besser zu kontrollieren, indem er bewusst hinausgezögert wird. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, den Penis wiederholt bis kurz vor den Höhepunkt zu stimulieren und dann damit aufzuhören.
  • Medikamente können die Zeit bis zum Samenerguss etwas verlängern. Es gibt Mittel zum Einnehmen und betäubende Mittel zum Auftragen auf die Penisspitze (Eichel). Beide können Nebenwirkungen haben.
  • Sexualtherapeutische Behandlungen haben das Ziel, Männern oder Paaren mehr Selbstbewusstsein zu vermitteln und die Angst vor sexueller „Unzulänglichkeit“ zu nehmen. Ein weiteres Ziel ist, sich weniger auf den Samenerguss zu konzentrieren und die Sexualität vielfältiger zu leben. Auch Beziehungsprobleme können thematisiert werden, wenn sie eine Rolle spielen.

Zur medikamentösen Behandlung werden meist selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt. Das in Europa bislang einzige zugelassene Mittel aus dieser Gruppe (Dapoxetin) verlängert die Zeit bis zum Samenerguss im Schnitt allerdings nur um 1 bis 1,5 Minuten. Andere SSRI sind deutlich kostengünstiger und auch wirksamer. Sie können von der Ärztin oder dem Arzt als „Off-Label“-Behandlung verschrieben werden.

Die Kosten von Medikamenten zur Behandlung vorzeitiger Samenergüsse werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet, unabhängig davon, ob sie zugelassen sind oder nicht. Das liegt daran, dass sie als „Lifestyle“-Medikamente gelten und eine Erstattung hierfür gesetzlich ausgeschlossen ist.

Leben und Alltag

Die Sexualität kann für das Selbstbewusstsein eine große Rolle spielen. Von Klischees, was „guter Sex“ ist, oder unbedachten Sprüchen sollte man sich aber nicht beeindrucken lassen: Wer mit vorzeitigen Samenergüssen zu tun hat, ist deshalb nicht weniger „männlich“ als andere.

Eine Bedeutung bekommen vorzeitige Samenergüsse, wenn sie belastend werden und das Sexualleben beeinträchtigen. Die Zeit bis zum Höhepunkt nicht steuern zu können, ist meist sehr frustrierend.

Manche Männer befürchten, im Bett „zu versagen“ und ihre Partnerin oder ihren Partner nicht befriedigen zu können. Geschlechtsverkehr und der Zeitpunkt des Samenergusses müssen aber nicht im Zentrum des Liebeslebens stehen. Es gibt daneben viele andere Möglichkeiten, seine Sexualität auszuleben, zum Höhepunkt zu kommen und Intimität zu leben und zu spüren. Die allgemeine Zufriedenheit mit dem Liebesleben und der Partnerschaft ist vielen Menschen wichtiger als die Dauer des Geschlechtsverkehrs.

Hilfreich ist, sich nicht allein auf den Geschlechtsverkehr zu konzentrieren. Sich zu küssen, zu streicheln und auf andere Weise zu erregen, kann ähnlich befriedigend sein und helfen, den Zeitpunkt des Samenergusses weniger wichtig zu nehmen.

Manche Männer verdrängen das Thema, anstatt offen darüber zu sprechen. Dies kann Konflikte eher verstärken. Ehrlich über die eigenen Gefühle und Ängste zu reden, ist wahrscheinlich der bessere Weg, um mit vorzeitigen Samenergüssen umzugehen.

Weitere Informationen

Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. In unserem Thema „Gesundheitsversorgung in Deutschland“ informieren wir darüber, wie man die richtige Praxis findet – und mithilfe unserer Frageliste möchten wir dabei helfen, sich auf den Arztbesuch vorzubereiten.

Althof SE, McMahon CG, Waldinger MD et al. An Update of the International Society of Sexual Medicine's Guidelines for the Diagnosis and Treatment of Premature Ejaculation (PE). Sex Med 2014; 2(2): 60-90.

Cooper K, Martyn-St James M, Kaltenthaler E et al. Interventions to treat premature ejaculation: a systematic review short report. Health Technol Assess 2015; 19(21): 1-180, v-vi.

Cooper K, Martyn-St James M, Kaltenthaler E et al. Behavioral Therapies for Management of Premature Ejaculation: A Systematic Review. Sex Med 2015; 3(3): 174-188.

Giuliano F, Patrick DL, Porst H et al. Premature ejaculation: results from a five-country European observational study. Eur Urol 2008; 53(5): 1048-1057.

Sathianathen NJ, Hwang EC, Mian R et al. Selective serotonin re-uptake inhibitors for premature ejaculation in adult men. Cochrane Database Syst Rev 2021; (3): CD012799.

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

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Aktualisiert am 24. August 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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