Mich braucht niemand zu bedauern, weil ich Diabetes habe

Foto von Mann beim Lesen

Harald, 49 Jahre

„Besonders die Möglichkeit der Feineinstellung ist für mich wichtig. Deshalb finde ich die Insulinbehandlung mit der Pumpe für mich am besten.“

Der Diabetes wurde bei mir vor 15 Jahren diagnostiziert. Ich war damals 34 Jahre alt. Mein Zustand, die Abgeschlagenheit, die Müdigkeit, der Durst - das hat mich genervt. Ich bin dann zu meinem Internisten gegangen und habe ihn gebeten herauszufinden, was da los ist. Meine Priorität war, dass ich diese Müdigkeit loswerden wollte.

Der Arzt hat dann einen sehr hohen Blutzuckerwert festgestellt und ich musste sofort ins Krankenhaus. Ich lag dann auf einer Station für Innere Medizin. Sie haben dort das Gleiche wie mein Arzt festgestellt und versucht, den Blutzuckerwert zu stabilisieren. Ich bekam die Information, dass meine tot sei. Das hieß, dass ich spritzen musste. Die Diabetologin, die mich dort behandelt hat, war sehr einfühlsam und hat mir einiges sehr gut beigebracht.

Die Ärztin nahm mir die Spritzenangst

Ich hatte schon immer Angst vor Spritzen. Das war damals mein Hauptproblem. Die Ärzte haben mich dann gleich auf das Insulinspritzen mit einem Pen eingestellt. Das lief sehr gut. Die Ärztin hat mir die Angst genommen. Das war sehr wichtig für mich.

Im Lauf der Zeit hat sich mein Diabetes dahingehend verändert, dass ich in den frühen Morgenstunden hohe Blutzuckerwerte habe. Um dieses Problem besser steuern zu können, bin ich dann aufgrund der Empfehlung durch das Ärzteteam auf die umgestiegen. Die hohen Werte werden jetzt mit der Insulinzufuhr durch die Pumpe gut abgefangen. Das Schöne an der Pumpe ist ja, dass man sie sehr fein einstellen kann. Man hat fast wie ein gesunder Mensch eine gleichmäßige Zufuhr an . Je nachdem was ich esse, pumpe ich auch noch zusätzlich hinzu. Man ist damit total flexibel.

Zuerst wurde ich auf die Pumpe geschult. Für die Pumpe an sich, ohne die Insulineinstellung, habe ich ungefähr zwei Tage gebraucht. Ich muss vertraut sein mit dem Gerät, mit der Technik. Eine Pumpe muss einfach zuverlässig sein, das ist mir sehr wichtig.

Meine Pumpe verfügt über einen Clip. Damit befestige ich sie meistens am Hemd unter dem Arm. Es gibt da aber auch andere Möglichkeiten. Man kann sie mit dem richtigen Rüstzeug quasi überall am Körper tragen. Mich stört sie am wenigsten unter dem Arm. Mit dieser Pumpe kann man sich das ganz einfach machen. Und sie zeigt alles an: wenn die Batterie leer ist oder das zu Ende geht. Sie gibt Alarm, wenn sie kein mehr pumpt. Ich kann die Pumpe ablegen und dann auch in die Dusche oder in die Sauna gehen. Das geht alles. Das erleichtert mir das Leben. Den Pen kann man auch sehr schnell einmal vergessen. Besonders die Möglichkeit der Feineinstellung ist für mich wichtig. Deshalb finde ich die Insulinbehandlung mit der Pumpe für mich am besten. Obwohl ich jahrelang mit dem Pen gearbeitet habe und das Ding auch klasse fand.

Ein wenig Angst habe ich, wenn die Pumpe meldet, dass die Batterie zu Ende geht. Ich habe herausgefunden, dass ich bei meiner Nutzungsdauer dann noch 24 Stunden Zeit habe. Dann wechsele ich die Batterien. Ich habe immer Batterien mit. Immer wenn ich am Abend ins Bett gehe, schaue ich nach, wie viel noch in der Pumpe ist.

Man muss herausfinden, wie der eigene Körper reagiert

Die Symptome einer bemerke ich daran, wenn meine Hände anfangen zu zittern, ich kalte Schweißausbrüche bekomme und eine besondere Unruhe empfinde. Selten merke ich das selbst nicht. Andere weisen mich dann darauf hin: "Du bist aber blass! Brauchst du Zucker?" Den hohen Zucker merke ich nicht unbedingt. Wenn er sehr hoch ist, dann werde ich müde, habe Durst und werde lustlos.

Ein Gebiet, wo es für mich nach der großen Handlungsbedarf gab, war die Ernährungskunde. Vor allem für meine Ehefrau. Sie hatte große Angst davor, dass sie beim Kochen nicht alles richtig macht. Wir haben uns dann sehr intensiv informiert: über die Selbsthilfe, haben uns Bücher gekauft, eine Waage... Ich wollte die Grundsätze der Ernährung kennen lernen. Ich wollte wissen, wie viel zum Beispiel eine Broteinheit Kartoffeln oder eine Broteinheit Reis ist. Wir haben dann in der Küche anhand der Waage trainiert.

Mich braucht niemand zu bedauern, weil ich diese Krankheit habe. Ich darf alles. Man muss herausfinden, wie der eigene Körper reagiert. Zum Beispiel wenn man sich anstrengt, im Garten oder beim Staubsaugen. Das musste ich auch für mich herausfinden.

Es gibt Menschen, die sind sehr schmerzempfindlich. Ich habe eine Stechhilfe für die Blutzuckermessung. Ich mache das am Finger, andere machen das am Ohrläppchen. Einen Rosendorn anzufassen schmerzt mehr, als sich mit der Stechhilfe zu stechen. Ich kann den Druck der Stechhilfe variieren, je nachdem wie schmerzempfindlich ich bin. Das muss dann jeder für sich selber herausfinden.

Ich habe eine Bekannte, die sich auch spritzen muss. Sie ist in der Anfangsphase im Restaurant immer auf die Toilette gegangen, um den Blutzucker zu messen und sich zu spritzen. Ich habe das von Anfang an nicht eingesehen. Das Einzige, was ich frage, ist, ob jemand kein Blut sehen kann. Ansonsten mache ich meinen Test am Tisch. Das dauert mit meinem Gerät noch ca. 30 Sekunden.

In meinem Leben vermisse ich nichts

Ich mache in meinem Leben alles. Ich kann nicht sagen, dass ich etwas vermisse. Wenn ich in Urlaub fahre, dann kann ich für meinen Pen immer einen Ersatz mitnehmen. Aber was passiert, wenn meine Pumpe ausfällt? Ich helfe mir damit, dass ich immer Einwegspritzen mithabe. Ich könnte auch wieder den Pen aktivieren.

Die Ernährungskunde und die Kenntnis meines Körpers sind für mich sehr wichtig. Und man sollte die Vorsorge nicht aus den Augen lassen. Zu meinem Arzt muss ich Vertrauen haben. Da bin ich sehr egoistisch, es geht letztendlich um mich, um meinen Körper, um meine Zukunft, um mein Leben.

Das Leben ist nicht immer angenehm, aber letztlich ist es schön und deshalb möchte ich das noch möglichst lange genießen.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 11. August 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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