Bosutinib (Bosulif) bei chronischer myeloischer Leukämie

Einleitung

Bosutinib (Handelsname Bosulif) ist seit März 2013 für vorbehandelte Erwachsene mit Philadelphia-Chromosom positiver, chronisch myeloischer Leukämie zugelassen. Im Mai 2018 wurde das Medikament auch zur Behandlung der chronischen Phase bei Personen mit neu diagnostizierter chronisch myeloischer Leukämie als Ersttherapie zugelassen.

Eine chronische myeloische Leukämie (CML) entsteht meist durch ein verändertes Chromosom, auch Philadelphia-Chromosom genannt. Fachleute sprechen dann von einer Philadelphia-Chromosom-positiven CML (Ph+ CML). Die CML ist eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks, bei der sich insbesondere die Granulozyten und ihre unreifen Vorstufen (Blasten) unkontrolliert vermehren und vom ins Blut übertreten. Granulozyten gehören zu den weißen und sind ein wichtiger Bestandteil der Immunabwehr.

Da die Krankheit über Jahre nur sehr langsam voranschreitet, kann sie lange unbemerkt bleiben. Sie wird in drei Phasen eingeteilt:

Chronische Phase: Diese Phase ist fast immer beschwerdefrei. Die Krankheit wird deshalb meist zufällig bei einer Routine-Blutuntersuchung entdeckt.

Akzelerierte (beschleunigte) Phase: Schreitet die CML fort, verschlechtert sich das Blutbild. Im Blut werden mehr Blasten nachgewiesen. Die Betroffenen sind blass, fühlen sich müde und sind weniger leistungsfähig.

Blastenkrise: In dieser weit fortgeschrittenen Phase werden im immer mehr Blasten gebildet. Dies behindert auch die Bildung der roten () und (). Die Folgen einer Blastenkrise sind Infektanfälligkeit, und Gerinnungsstörungen. Eine Blastenkrise ist lebensbedrohlich.

Bosutinib hemmt verschiedene Eiweißstoffe, die für die vermehrte Bildung der Blasten und ihrer Vorstufen verantwortlich sind. Auf diese Weise soll der Wirkstoff das Fortschreiten der CML aufhalten.

Anwendung

Bosutinib gibt es als Tablette in drei Dosierungen (100, 400 und 500 mg). Die Tablette wird einmal täglich zu einer Mahlzeit eingenommen. Die Dosierung richtet sich nach der Krankheitsphase, auftretenden Nebenwirkungen und den Ergebnissen regelmäßiger Blutuntersuchungen. Die Tagesdosis sollte höchstens 600 mg betragen. Bei zu starken Nebenwirkungen wird die beendet.

Andere Behandlungen

Bei nicht vorbehandelten Erwachsenen mit Philadelphia-Chromosom und neu diagnostizierter CML kommen in der chronischen Phase als Ersttherapie Wirkstoffe wie Imatinib, Nilotinib oder Dasatinib infrage.

Bei vorbehandelten Personen können je nach Krankheitsphase Ponatinib oder Interferon-alpha eingesetzt werden.

Bewertung

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat zuletzt 2021 geprüft, ob Bosutinib für Erwachsene mit Philadelphia-Chromosom-positiver CML Vor- oder Nachteile im Vergleich zu den Standardtherapien hat.

Der Hersteller legte zuletzt 2021 Daten aus einer Studie vor, in der nur nicht vorbehandelte Personen untersucht wurden. Von diesen 487 Erwachsenen bekam die eine Hälfte Bosutinib, die andere Hälfte Imatinib. Nach einer Studienzeit von mindestens vier Jahren zeigten sich für diese Personen folgende Ergebnisse:

Welche Vorteile hat Bosutinib?

Schwere Neutropenie: Bei dieser schweren Nebenwirkung deuten erste Schätzungen auf einen Vorteil von Bosutinib hin: Eine schwere Neutropenie trat bei knapp 7 von 100 Personen unter Bosutinib und bei etwa 12 von 100 Personen unter Imatinib auf. Bei einer Neutropenie hat der Körper zu wenig Neutrophile. Neutrophile sind bestimmte Abwehrzellen.

Augenerkrankungen: Die Studie deutet bei dieser Nebenwirkung auf einen Vorteil der Bosutinib-Therapie hin: In der Bosutinib-Gruppe hatten etwa 16 von 100 Personen damit zu tun, während es in der Imatinib-Gruppe etwa 48 von 100 Personen waren.

Erste Schätzungen deuten außerdem bei den folgenden Nebenwirkungen auf einen Vorteil von Bosutinib hin:

  • periphere Ödeme: Bei etwa 7 von 100 Personen in der Bosutinib-Gruppe trat eine Flüssigkeitsansammlung in den Armen oder Beinen auf, während dies in der Imatinib-Gruppe bei etwa 16 von 100 Personen der Fall war.
  • Skelettmuskulatur-, Bindegewebs- und Knochenerkrankungen: Diese Nebenwirkungen traten bei etwa 40 von 100 Personen der Bosutinib-Gruppe und bei etwa 61 von 100 Personen in der Imatinib-Gruppe auf.

Welche Nachteile hat Bosutinib?

Schwere Nebenwirkungen: Erste Schätzungen deuten hier insgesamt auf einen Nachteil von Bosutinib im Vergleich zu Imatinib hin. Schwere Nebenwirkungen traten mit Bosutinib bei den untersuchten Personen früher und auch häufiger auf: bei 74 von 100 Personen im Vergleich zu 58 von 100 Personen bei der Imatinib-Therapie.

Außerdem deutet die Studie bei einzelnen schweren Nebenwirkungen auf einen Nachteil von Bosutinib hin:

  • Schwerer Durchfall (Diarrhö): Er trat bei etwa 9 von 100 Personen, die mit Bosutinib behandelt wurden, und bei etwa 1 von 100 Personen in der Vergleichsgruppe auf.
  • Schwere Störung der Leberfunktion: Sie trat bei etwa 27 von 100 Personen, die mit Bosutinib behandelt wurden auf, während dies nur etwa 4 von 100 Personen in der Imatinib-Gruppe der Fall war.

Bei weiteren schweren Nebenwirkungen deuten erste Schätzungen auf einen Nachteil von Bosutinib hin:

  • Schwere Herzerkrankungen: Sie traten bei etwa 6 von 100 Personen in der Bosutinib-Gruppe und bei nur etwa 2 von 100 Personen in der Imatinib-Gruppe auf.
  • Schwerer Mangel an (Thrombozytopenie): Eine Thrombozytopenie hatten etwa 9 von 100 Personen unter Bosutinib und etwa 4 von 100 Personen unter Imatinib.
  • Starke Erhöhung der Lipase: Stark erhöhte Lipasewerte im Blut hatten etwa 13 von 100 Personen, die mit Bosutinib behandelt wurden und etwa 5 von 100 Personen, die mit Imatinib behandelt wurden. Erhöhte Werte des Verdauungsenzyms Lipase können Hinweise auf eine Funktionsstörung der sein.

Erste Schätzungen deuten auch auf einen Nachteil bei den Nebenwirkungen Magen-Darm-Erkrankungen und Juckreiz (Pruritus) hin.

Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen: Auch hier deuten erste Schätzungen auf einen Nachteil von Bosutinib hin: Unter Bosutinib brachen etwa 25 von 100 Personen ihre Behandlung ab, während es unter Imatinib etwa 14 von 100 waren.

Wo zeigte sich kein Unterschied?

Kein Unterschied zeigte sich in Bezug auf

  • die Lebenserwartung
  • die gesundheitsbezogene Lebensqualität
  • den Gesundheitszustand
  • Fortschreiten der Erkrankung in die Blastenkrise

Weitere Informationen

Dieser Text fasst die wichtigsten Ergebnisse der Gutachten zusammen, die das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses () im Rahmen der Frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln erstellt hat. Der beschließt auf Basis der Gutachten und eingegangener Stellungnahmen über den Zusatznutzen von Bosutinib (Bosulif) bei nicht vorbehandelten und bei vorbehandelten Personen.

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bosutinib (chronische myeloische Leukämie) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V. Dossierbewertung; Auftrag A18-33. 29.08.2018. (IQWiG-Berichte; Band 660).

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bosutinib (chronische myeloische Leukämie) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V. Dossierbewertung; Auftrag A18-54. 28.11.2018. (IQWiG-Berichte; Band 682).

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bosutinib (chronische myeloische Leukämie) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V (Ablauf Befristung). Dossierbewertung; Auftrag A21-79. 30.08.2021. (IQWiG-Berichte; Band 1195).

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bosutinib (chronische myeloische Leukämie) – Addendum zum Auftrag A21-79; Auftrag A21-134. 29.10.2021. (IQWiG-Berichte; Band 1236).

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

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Über diese Seite

Aktualisiert am 19. November 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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